Vergebung
werde ein paar Ausschnitte zeigen. Ich muss Sie allerdings warnen, dass er einige unangenehme Szenen enthalten wird.«
»Ist das hier irgendein Trick?«, fragte Ekström.
»Es gibt eine ganz einfache Methode, das herauszufinden«, erklärte Annika Giannini und startete die CD in ihrem Computer.
»Kannst du die Uhr nicht lesen?«, sagte Bjurman schroff. Die Kamera bewegte sich durch seine Wohnung.
Nach neun Minuten schlug Richter Iversen mit dem Hammer auf seinen Tisch, genau in dem Moment, als zu sehen war, wie Bjurman mit Gewalt einen Dildo in Lisbeth Salanders After drückte. Annika Giannini hatte die Lautstärke voll aufgedreht. Lisbeths halb erstickte Schreie durch das Klebeband, das ihren Mund verschloss, waren im ganzen Gerichtssaal zu hören.
»Stellen Sie den Film ab!«, verlangte Iversen mit lauter und entschiedener Stimme.
Annika Giannini drückte auf »stop«. Das Deckenlicht wurde eingeschaltet. Richter Iversen war hochrot im Gesicht. Staatsanwalt Ekström saß da wie versteinert. Dr. Teleborian war leichenblass.
»Anwältin Giannini, wie lange, sagten Sie, ist dieser Film?«
»Neunzig Minuten. Die Vergewaltigung selbst zog sich in mehreren Etappen über ungefähr fünf, sechs Stunden hin, doch meine Mandantin hatte in den letzten Stunden nur noch einen vagen Zeitbegriff.« Annika Giannini wandte sich an Teleborian. »Das sind die Vorgänge, die Dr. Teleborian als Auswuchs von Lisbeth Salanders weitläufiger Fantasie bezeichnet hat. Wenn Sie wollen, können wir noch mehr …«
»Danke, das ist nicht nötig«, wehrte Iversen ab. »Frau Salander …«
Er verlor für einen Moment den Faden und wusste nicht recht, wie er weitermachen sollte.
»Frau Salander, warum haben Sie diesen Film gemacht?«
»Bjurman hatte mich bereits einmal vergewaltigt und wollte mehr. Bei der ersten Vergewaltigung musste ich dem widerlichen alten Bock einen blasen. Ich dachte, dass sich das an diesem Tag wiederholen würde, und wollte seine Tat dokumentieren, um ihn dann zu zwingen, dass er mir vom Leib blieb. Ich hatte ihn falsch eingeschätzt.«
»Aber warum haben Sie denn bei der Polizei nicht Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet, wenn Sie doch so einen … überzeugenden Beweis hatten?«
»Ich rede nicht mit Polizisten«, erklärte Lisbeth Salander mit monotoner Stimme.
Auf einmal erhob sich Holger Palmgren aus seinem Rollstuhl. Er stützte sich auf die Tischkante, als er mit überdeutlicher Stimme erklärte:
»Unsere Mandantin spricht aus Prinzip nicht mit Polizisten oder anderen Beamten, am allerwenigsten mit Psychiatern. Der Grund ist ganz einfach. Seit Kindertagen hat sie immer wieder versucht, mit Polizisten und Betreuern und Behörden zu reden und ihnen zu erklären, dass ihre Mutter von Alexander Zalatschenko misshandelt wurde. Das Ergebnis war jedes Mal, dass sie bestraft wurde, weil irgendwelche Staatsbediensteten beschlossen hatten, dass Zalatschenko wichtiger war als Salander.«
Er räusperte sich und fuhr fort.
»Und als sie schließlich erkannte, dass ihr niemand zuhörte, unternahm sie einen verzweifelten Versuch, ihre Mutter zu retten, indem sie einen Anschlag auf Zalatschenko verübte. Und daraufhin stellte dieses Schwein, das sich Arzt schimpft«, er zeigte auf Teleborian, »eine fingierte rechtspsychiatrische Diagnose, die sie für geisteskrank erklärte und ihm die Möglichkeit verschaffte, sie 380 Tage in St. Stefan mit Gurten ans Bett zu fesseln. Verdammt noch mal!«
Palmgren setzte sich wieder. Iversen wirkte völlig perplex über diesen Ausbruch. Dann wandte er sich an Lisbeth Salander.
»Möchten Sie vielleicht eine Pause …«
»Wieso?«, wollte Lisbeth wissen.
»Ach so … ja, dann machen wir doch weiter. Anwältin Giannini, ich werde das Video daraufhin untersuchen lassen, ob das Material authentisch ist. Aber jetzt fahren wir mit der Verhandlung fort.«
»Gern. Ich finde das auch alles abscheulich. Aber die Wahrheit sieht eben so aus, dass meine Mandantin Opfer physischer, psychischer und juristischer Übergriffe geworden ist. Und die Person, die daran am meisten Schuld trägt, ist Peter Teleborian. Er hat einen hippokratischen Eid geschworen und seine Patientin verraten. Gemeinsam mit Gunnar Björck, einem Mitarbeiter in einer illegalen Gruppierung innerhalb der Sicherheitspolizei, hat er ein rechtspsychiatrisches Gutachten zusammengeschustert, in der Absicht, eine lästige Zeugin loszuwerden. Ich glaube, dieser Fall dürfte in der schwedischen Rechtsgeschichte
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