Vergebung
es mal dabei. Und jetzt raus aus meinem Auto. Ich bin todmüde und will nur noch nach Hause und schlafen.«
Lisbeth öffnete die Tür und stieg aus. Auf dem Bürgersteig hielt sie inne, bevor sie die Tür zuwarf. Sie sah aus, als wolle sie irgendetwas sagen, fände aber nicht die richtigen Worte. Einen Augenblick lang fand Annika, dass Lisbeth fast verletzlich aussah.
»Ist schon okay«, sagte Annika. »Gehen Sie nach Hause und legen Sie sich schlafen. Und machen Sie in der nächsten Zeit bitte keine Dummheiten.«
Lisbeth Salander blieb am Bordstein stehen und blickte Annika Giannini hinterher, bis die Rücklichter ihres Wagens um die Ecke verschwunden waren.
»Danke«, sagte sie schließlich.
29. Kapitel
Samstag, 16. Juli - Freitag, 7. Oktober
Sie fand ihren Palm Tungsten T3 in der Kommode im Flur. Dort lagen auch ihre Autoschlüssel und die Umhängetasche, die sie verloren hatte, als Magge Lundin sie vor ihrer Haustür in der Lundagatan angegriffen hatte. Sie fand geöffnete und ungeöffnete Post vor, die aus dem Briefkasten in der Hornsgatan abgeholt worden war. Mikael Blomkvist.
Langsam drehte sie eine Runde durch den möblierten Teil ihrer Wohnung. Überall fand sie Spuren von ihm. Er hatte in ihrem Bett geschlafen und an ihrem Schreibtisch gearbeitet. Er hatte ihren Drucker benutzt und Entwürfe für die Artikel über die Sektion und verworfene Notizen und Schmierzettel in ihren Papierkorb geworfen.
Er hat einen Liter Milch gekauft, Brot, Käse und zehn Packungen Billys Pan Pizza, die er in den Kühlschrank gelegt hat.
Auf dem Küchentisch lag ein kleiner weißer Umschlag mit ihrem Namen darauf. Darin war ein Zettel von ihm. Die Nachricht war kurz. Seine Handynummer. Sonst nichts.
Auf einmal wurde Lisbeth klar, dass es jetzt an ihr war. Seine Story war im Kasten, er hatte ihr ihre Wohnungsschlüssel zurückgegeben und nicht vor, sich bei ihr zu melden. Wenn sie etwas wollte, musste sie ihn selbst anrufen. Verdammter Sturkopf .
Sie machte sich Kaffee und vier belegte Brote, setzte sich in den Fenstersturz und blickte auf den Djurgården hinunter. Dann steckte sie sich eine Zigarette an und grübelte.
Jetzt war alles vorbei, doch ihr Leben kam ihr plötzlich beklemmender vor als je zuvor.
Miriam Wu war nach Frankreich gefahren. Es war meine Schuld, dass du fast gestorben bist. Sie hatte vor dem Moment gezittert, in dem sie Miriam wieder unter die Augen treten musste, doch hatte sie es als Erstes tun wollen, wenn sie wieder frei war. Und dann fährst du einfach nach Frankreich.
Plötzlich stand sie bei mehreren Menschen in der Schuld.
Holger Palmgren. Dragan Armanskij. Sie müsste sich eigentlich bei ihnen melden und sich bedanken. Paolo Roberto. Plague und Trinity. Sogar die verdammten Polizisten Bublanski und Modig hatten objektiv Partei für sie ergriffen. Es gefiel ihr gar nicht, in irgendjemandes Schuld zu stehen. Sie kam sich vor wie ein Spielstein in einem Spiel, das sie nicht kontrollieren konnte.
Jetzt ist es vorbei , hatte Annika Giannini gesagt, als sie das Polizeigebäude verließen. Ja. Der Prozess war vorbei. Für Annika Giannini war es vorbei. Und für Mikael Blomkvist war es vorbei, denn der hatte seinen Text fertig und würde ins Fernsehen kommen und garantiert noch irgendeinen verdammten Preis einheimsen.
Doch für Lisbeth Salander war es nicht vorbei. Es war nur der erste Tag vom Rest ihres Lebens.
Um vier Uhr morgens hörte sie auf nachzudenken. Sie warf ihre Punkerkluft auf den Schlafzimmerboden, ging ins Bad und duschte. Sie wusch sich das ganze Make-up ab, das sie im Gericht getragen hatte, und zog sich eine dunkle Leinenhose, ein weißes Oberteil und eine dünne Jacke an. Dann packte sie sich eine Wochenendtasche mit Kleidern zum Wechseln, Unterwäsche und ein paar Oberteilen und zog sich ein Paar schlichte Schuhe an.
Schließlich griff sie sich noch ihren Palm und bestellte sich ein Taxi zum Mosebacke Torg. Sie ließ sich nach Arlanda fahren und war um kurz vor sechs Uhr am Flughafen. Nachdem sie die Anzeigetafel mit den Abflügen studiert hatte, buchte sie ein Ticket an den erstbesten Ort, der ihr in den Sinn kam. Sie verwendete ihren eigenen Pass mit ihrem eigenen Namen. Zu ihrer Verblüffung schien sie weder beim Ticketschalter noch beim Check-in irgendjemand wiederzuerkennen oder auf ihren Namen zu reagieren.
Sie bekam einen Platz im Morgenflugzeug nach Málaga und landete mitten am Tag bei glühender Hitze. Unsicher blieb sie für einen Moment am Terminal
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