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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Familie, er mit ergrauenden Schläfen, sie mit einem schönen farbenprächtigen Kleid in Gold, Schwarz und Rot. Sie hatten zwei Kinder an der Schwelle zum Teenageralter. Sie musterte eine Gruppe von Geschäftsleuten, alle mit weißen Hemden und Krawatten, die ihre Jacketts ausgezogen und über die Stuhllehnen gehängt hatten. Sie tranken Bier. Sie sah eine Rentnerreisegesellschaft, ohne Zweifel amerikanische Touristen. Die Männer trugen Baseballcaps, Poloshirts und weite Hosen. Die Frauen hatten Designerjeans an, rote Tops und Sonnenbrillen, die sie an einer Schnur um den Hals trugen. Sie sah einen Mann mit einem hellen Leinensakko, grauen Hemd und dunklen Schlips, der von der Straße kam, an der Rezeption seine Schlüssel holte und dann an die Bar ging, wo er sich ein Bier bestellte. Sie saß drei Meter von ihm entfernt und fasste ihn schärfer ins Auge, als er ein Handy hervorzog und begann, auf Deutsch zu reden.
    » Hallo, ich bin’s … na, alles klar? … geht schon klar, das nächste Meeting ist erst morgen Nachmittag … nein, ich glaube, das löst sich alles … ich bleib noch mindestens fünf oder sechs Tage hier, anschließend fahr ich direkt weiter nach Madrid … nein, ich bin erst Ende nächster Woche wieder zu Hause … ich dich auch … ich liebe dich … ja, klar … ich ruf die Woche noch mal an … Küsschen .«
    Er war 1 Meter 85 groß, knapp 50 Jahre alt, vielleicht auch 55, blondes Haar mit ein paar grauen Strähnen, weiches Kinn, in der Taille etwas auseinandergegangen. Aber ziemlich gut erhalten. Er las die Financial Times . Als er sein Bier ausgetrunken hatte und zum Fahrstuhl ging, stand Lisbeth Salander auf und folgte ihm.
    Er drückte den Knopf für den sechsten Stock. Lisbeth stellte sich neben ihn und lehnte den Hinterkopf an die Wand der Fahrstuhlkabine.
    »Ich bin betrunken«, verkündete sie.
    Er sah sie an.
    »Ach ja?«
    »Ja. Das war eine ganz schön heftige Woche. Lass mich raten. Du bist irgendein Geschäftsmann, kommst aus Hannover oder einer anderen Stadt in Norddeutschland. Du bist verheiratet. Du liebst deine Frau. Und du musst noch ein paar Tage in Gibraltar bleiben. So viel konnte ich deinem Telefongespräch in der Bar entnehmen.«
    Er sah sie verblüfft an.
    »Ich komme aus Schweden. Ich habe ein unwiderstehliches Bedürfnis, mit irgendjemand Sex zu haben. Ist mir egal, ob du verheiratet bist, und ich will auch nicht deine Telefonnummer haben.«
    Er zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich wohne in Zimmer 711, ein Stockwerk über dir. Ich werde jetzt in mein Zimmer gehen, mich ausziehen, baden und mich ins Bett legen. Wenn du mir Gesellschaft leisten willst, klopf doch in einer halben Stunde bei mir an. Wenn nicht, schlaf ich eben ein.«
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte er, als der Fahrstuhl anhielt.
    »Nein. Ich kann mich nur einfach nicht mehr aufraffen, in irgendeine Kneipe zu gehen und jemand aufzureißen. Entweder du klopfst bei mir, oder die Sache hat sich erledigt.«
    Fünfundzwanzig Minuten später klopfte es an Lisbeths Tür. Sie hatte sich nur ein Badetuch umgewickelt, als sie aufmachte.
    »Komm rein«, sagte sie.
    Er trat ein und sah sich misstrauisch im Zimmer um.
    »Hier bin bloß ich«, sagte sie.
    »Wie alt bist du eigentlich?«
    Sie streckte die Hand nach der Kommode aus und reichte ihm ihren Pass.
    »Du siehst jünger aus.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie, machte das Badetuch auf und warf es über einen Stuhl. Dann ging sie zum Bett und zog die Überdecke ab.
    Er starrte ihre Tattoos an. Sie warf einen Blick über die Schulter.
    »Das ist keine Falle. Ich bin eine Frau, Single und ein paar Tage in Gibraltar. Und ich habe seit mehreren Monaten keinen Sex mehr gehabt.«
    »Warum hast du dir gerade mich ausgesucht?«
    »Weil du der Einzige in der Bar warst, der so aussah, als sei er allein da.«
    »Ich bin verheiratet …«
    »Will ich alles gar nicht wissen. Ich will ficken. Zieh dich aus oder geh wieder runter in dein Zimmer.«
    »Einfach so?«
    »Warum nicht? Du bist erwachsen und weißt, was man von dir erwartet.«
    Er überlegte eine halbe Minute. Erst sah es so aus, als würde er wieder gehen. Sie setzte sich auf die Bettkante und wartete. Er biss sich auf die Unterlippe. Schließlich zog er Hemd und Hose aus und blieb zögernd in Socken vor ihr stehen.
    »Alles«, sagte Lisbeth Salander. »Ich habe nicht vor, mit jemand zu poppen, der noch seine Socken anhat. Und du musst ein Kondom benutzen. Ich weiß, wo ich gewesen bin, aber wo du gewesen bist, weiß ich

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