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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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stehen. Schließlich warf sie einen Blick auf die Landkarte und überlegte, was sie in Spanien machen wollte. Nach ein paar Minuten hatte sie sich entschieden. Sie hatte jedoch keine Zeit mehr, über Buslinien oder alternative Beförderungsmittel nachzudenken. Also kaufte sie sich in einem Geschäft im Flughafen noch schnell eine Sonnenbrille, ging hinaus zum Taxistand und setzte sich auf den Rücksitz des ersten freien Wagens.
    »Gibraltar. Ich bezahle mit Kreditkarte.«
    Die Fahrt führte über die neue Autobahn an der Südküste und dauerte drei Stunden. Das Taxi ließ sie an der Passkontrolle zum britischen Territorium hinaus. Sie spazierte zum Rock Hotel hinauf, das an der vierhundertfünfundzwanzig Meter hohen Klippe lag. Als sie nach einem freien Zimmer fragte, erfuhr sie, dass es nur noch ein Doppelzimmer gab. Das buchte sie für zwei Wochen und legte ihre Kreditkarte vor.
    Sie duschte, wickelte sich in ein Badetuch und setzte sich auf die Terrasse. Von hier aus hatte sie einen fantastischen Blick über die Straße von Gibraltar. Sie sah Frachter und ein paar Segelboote. Im Dunst konnte sie Marokko auf der anderen Seite der Meerenge erkennen. Richtig friedlich war das.
    Nach einer Weile ging sie in ihr Zimmer, legte sich hin und schlief sofort ein.
    Am nächsten Morgen erwachte Lisbeth um halb sechs. Sie stand auf, duschte und trank einen Kaffee in der Hotelbar im Erdgeschoss. Um sieben verließ sie das Hotel, kaufte eine Tüte voll Mangos und Äpfel und nahm sich ein Taxi zum The Peak, um zu den Affen hochzuwandern. So früh am Morgen war sie fast allein mit den Tieren.
    Sie mochte Gibraltar. Es war ihr dritter Besuch auf der seltsamen Klippe mit der absurd dicht besiedelten englischen Stadt am Mittelmeer. Gibraltar war ein Ort, der keinem anderen ähnelte. Die Stadt war jahrzehntelang isoliert gewesen, eine Kolonie, die sich standhaft weigerte, sich von Spanien einverleiben zu lassen. Die Spanier protestierten natürlich gegen die Besatzung. (Lisbeth Salander fand freilich, dass die Spanier schön den Mund halten sollten, solange sie auf der anderen Seite der Meerenge die Enklave Ceuta auf marokkanischem Territorium besetzt hielten.)
    Gibraltar war so winzig, dass jeder Quadratzentimeter genutzt wurde und man nur aufs Meer hinaus expandieren konnte. Um in die Stadt zu gelangen, mussten die Besucher die Landebahn des Flugplatzes überqueren.
    Gibraltar verlieh dem Ausdruck compact living ganz neue Dimensionen.
    Lisbeth sah ein kräftiges Affenmännchen, das auf einer Mauer neben dem Wanderweg hockte. Es sah sie mit großen Augen an. Es war ein Berberaffe. Sie wusste, dass sie sich den Versuch, das Tier zu streicheln, besser verkniff.
    »Hallo, Kumpel«, sagte sie. »Da bin ich wieder.«
    Bei ihrem ersten Besuch auf Gibraltar hatte sie von diesen Affen noch nie gehört. Sie war nur hochgefahren, um sich die Aussicht anzusehen, und war völlig überrascht, als sie einer Gruppe Touristen folgte und plötzlich inmitten einer Horde Affen stand, die zu beiden Seiten des Wanderwegs herumkletterten.
    Es war ein eigenartiges Gefühl, auf so einem Pfad zu wandern und plötzlich von zwei Dutzend Affen umgeben zu sein. Sie betrachtete sie mit größtem Misstrauen. Sie waren weder gefährlich noch aggressiv, doch stark genug, um böse zuzubeißen, wenn man sie reizte oder sie sich bedroht fühlten.
    Sie fand einen der Aufseher, zeigte ihm ihre Tüte vor und fragte, ob sie den Affen die Früchte geben dürfe. Er meinte, das sei okay.
    Sie zog eine Mango heraus und legte sie vor den Affen auf die Mauer.
    »Frühstück«, sagte sie, lehnte sich gegen die Mauer und biss selbst in einen Apfel.
    Das Affenmännchen starrte sie an, fletschte die Zähne und schnappte sich dann zufrieden die Mango.
     
    Fünf Tage später, gegen vier Uhr nachmittags, fiel Lisbeth Salander in »Harry’s Bar« in einer Seitengasse der Main Street, zwei Blocks von ihrem Hotel entfernt, vom Hocker. Seit sie den Affenfelsen verlassen hatte, war sie konstant betrunken gewesen, und am meisten hatte sie bei Harry O’Connell getrunken, dem die Bar gehörte und der mit hart erkämpftem irischem Akzent sprach, obwohl er sein Lebtag keinen Fuß nach Irland gesetzt hatte. Er beobachtete Lisbeth mit bekümmerter Miene.
    Als sie vor vier Tagen am Nachmittag ihren ersten Drink bestellte, hatte er einen Ausweis von ihr verlangt, weil sie so jung aussah. Er wusste, dass sie Lisbeth hieß, und nannte sie Liz. Normalerweise kam sie nach dem Mittagessen, setzte sich

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