Vergebung
schon ein längerer Auslandsaufenthalt für Niedermann geplant sei.«
So viele Worte hatte Lisbeth Salander nicht mehr mit einem Polizisten gesprochen, seit sie zwölf war.
»Zalatschenko … das ist also Ihr Vater.«
Das haben sie also rausgekriegt. Kalle Fucking Blomkvist wahrscheinlich.
»Dann muss ich Ihnen noch mitteilen, dass Ihr Vater Anzeige erstattet hat, weil Sie versucht haben, ihn umzubringen. Die Sache liegt gerade beim Staatsanwalt, der sich demnächst zu einer eventuellen Anklage äußern wird. Was hingegen schon feststeht, ist eine Anklage gegen Sie wegen schwerer Körperverletzung. Sie haben Zalatschenko eine Axt in den Schädel geschlagen.«
Lisbeth schwieg. Sie schwieg lange. Schließlich beugte sich Sonja Modig vor und sagte leise:
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass wir von der Polizei Zalatschenkos Geschichte nicht allzu viel Glauben schenken. Unterhalten Sie sich erst mal ausführlich mit Ihrer Anwältin, und dann kommen wir später noch mal.«
Erlander nickte. Die Polizisten standen auf.
»Danke für Ihre Hilfe mit Niedermann«, sagte Erlander.
Lisbeth wunderte sich, dass die Polizisten so korrekt und beinahe freundlich aufgetreten waren. Ebenso wunderte sie sich über Sonja Modigs Äußerung. Da musste es irgendeinen Hintergedanken geben, entschied sie.
7. Kapitel
Montag, 11. April - Dienstag, 12. April
Um Viertel vor sechs am Montagabend klappte Mikael Blomkvist sein iBook zu und stand vom Küchentisch seiner Wohnung in der Bellmansgatan auf. Er zog sich eine Jacke über und ging zum Büro von Milton Security am Slussen. Dort nahm er den Fahrstuhl in den dritten Stock und wurde sofort zu einem Konferenzraum geleitet. Er kam um Punkt sechs Uhr und war der Letzte.
»Hallo, Dragan«, sagte er und schüttelte Armanskij die Hand. »Danke, dass Sie sich bereit erklärt haben, den Gastgeber für dieses konspirative Treffen zu spielen.«
Er sah sich im Zimmer um. Abgesehen von Dragan Armanskij und ihm bestand die Versammlung aus Annika Giannini, Holger Palmgren und Malin Eriksson. Von Milton war noch der ehemalige Kriminalinspektor Sonny Bohman dabei, der vom ersten Tag an in Armanskijs Auftrag an der Ermittlung in Sachen Salander beteiligt gewesen war.
Für Holger Palmgren war es der erste Ausflug seit zwei Jahren. Sein Arzt, Dr. A. Sivarnandan, war alles andere als begeistert gewesen von dem Gedanken, Palmgren zu erlauben, die Rehaklinik Erstaviken zu verlassen, aber der alte Anwalt hatte darauf bestanden. Begleitet wurde er von seiner persönlichen Betreuerin, Johanna Karolina Oskarsson, 39 Jahre alt, deren Lohn aus einem Fonds finanziert wurde, der von einem geheimnisvollen Wohltäter eingerichtet worden war, um Palmgren die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen. Karolina Oskarsson wartete an einem Kaffeetischchen vor dem Konferenzzimmer. Sie hatte ein Buch dabei.
Mikael schloss die Tür.
»Für alle, die sie noch nicht kennen - Malin Eriksson ist die neue Chefredakteurin bei Millennium . Ich habe sie gebeten, bei diesem Treffen dabei zu sein, weil das, was wir hier besprechen, direkte Auswirkungen auf ihre Arbeit haben wird.«
»In Ordnung«, sagte Armanskij. »Hier sind wir. Ich bin ganz Ohr.«
Mikael stellte sich an Armanskijs Whiteboard und griff sich einen Filzstift. Er sah sich um.
»Das ist hier wirklich das Verrückteste, was ich je erlebt habe«, sagte er. »Wenn das Ganze vorbei ist, werde ich einen Klub gründen. Ich werde ihn ›Die Ritter der Verrückten Tafelrunde‹ nennen, und er soll es sich zur Aufgabe machen, einmal im Jahr ein Abendessen auszurichten, bei dem wir über Lisbeth Salander quatschen. Ihr seid alle Mitglieder.«
Er legte eine Pause ein.
»Und so sieht die Wirklichkeit aus«, sagte er und begann Stichworte auf die Tafel zu schreiben. Er sprach knapp dreißig Minuten lang. Die anschließende Diskussion dauerte fast drei Stunden.
Evert Gullberg setzte sich mit Fredrik Clinton zusammen, als die Konferenz offiziell beendet war. Ein paar Minuten unterhielten sie sich leise, bis Gullberg aufstand. Die alten Waffenbrüder schüttelten sich die Hand.
Gullberg nahm ein Taxi zurück zu Freys Hotel, wo er seine Kleider holte und auscheckte, um kurz darauf einen Nachmittagszug nach Göteborg zu besteigen. Er entschied sich für die erste Klasse und hatte ein Abteil für sich allein. Als er über die Årstabron-Brücke fuhr, zückte er einen Kugelschreiber und einen Block mit Briefpapier. Er überlegte eine Weile, bevor er anfing zu schreiben.
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