Vergeltung
mit
energischen Schritten zu Michael hinunter, der im Auto auf sie wartete.
Sie fuhren zu dem Haus Lærkebakken
4. Vor der alten Villa parkten mehrere Polizeiwagen. Ein junger Beamter hielt
vor dem Haus Wache und zeigte ihnen den Weg in den Keller, wo drei
Kriminaltechniker in weißen Schutzanzügen herumliefen, Bilder machten und
Beweismaterial sicherten. Der Zementboden des Heizungskellers war mit
Glasscherben und Blut bedeckt. Mit weißer Kreide waren die Umrisse von Körpern
aufgezeichnet. Ein länglicher Strich mitten auf dem Boden zeigte die Lage des
Golfschlägers an, und es ärgerte Rebekka über die Maßen, dass er zur näheren
Untersuchung bereits vom Tatort entfernt worden war.
Sie warf einen Blick in Alex’ unordentliches Zimmer und atmete den
abgestandenen Geruch von Schmutz und Verzweiflung ein.
Dann teilte sie Michael mit, dass sie im Auto warten würde. Sie
setzte sich auf den Beifahrersitz und starrte mit leeren Augen durch die
Frontscheibe in den strömenden Spätsommerregen, während sie versuchte, die
unzähligen Anrufe zu ignorieren, die auf ihrem Handy eingegangen waren und von
denen die meisten von Torsten Krogh kamen.
Die Autotür ging auf, und Michael zwängte seinen großen Körper auf
den Fahrersitz. Sie sah ihn nicht an, und sie schwiegen einige Minuten, während
der Regen gegen die Scheiben trommelte. Michael brach das Schweigen.
»Ich bringe das nicht zusammen. Wenn Alex den Mord an Anna begangen
hat, wäre es doch total bescheuert von ihm, den Golfschläger bei sich zu Hause
zu verstecken, während er noch unter Verdacht steht. Irgendetwas stimmt da
nicht, das Risiko wäre viel zu groß. Ich gebe Ihnen recht.«
Die Worte waren schlicht und ungekünstelt. Sie spürte seine
Aufrichtigkeit.
»Danke.«
Michael sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick. Dann räusperte
sie sich: »Wir fahren wie geplant zu Alex’ Mutter raus und sprechen mit ihr.
Danach sollten wir meiner Meinung nach noch einmal mit der Familie Mathiesen
reden. Ich habe das Gefühl, dass sie mehr über Anna wissen, als sie zugeben,
und dann müssen wir mit Kenneth allein sprechen. Und schließlich und endlich
werde ich John Mathiesens Freikirche einen Besuch abstatten.«
—
Doris Pedersen, die Mutter
von Alex, wohnte in einem baufälligen Haus draußen vor der Stadt. Die weiße Farbe
blätterte von Fensterrahmen und Türen ab, mehrere Fensterscheiben waren
zerbrochen und durch Pappe und Klebeband ersetzt worden. Der das Haus umgebende
Garten war ebenso vernachlässigt. Das Gras wuchs wild, und überall lag
irgendwelcher Krempel: rostige Eisenrohre, eine alte Autotür und ganz hinten
standen zwei Autos ohne Räder.
Sie klopften und hörten einen
rasselnden Husten und langsame, schlurfende Schritte.
»Wer ist da?« Ein rundes blasses Gesicht sah sie durch den Türspalt
an.
»Polizei.« Rebekka hielt ihren Ausweis durch die Türöffnung. »Wir
möchten gerne mit Doris Pedersen reden. Sind Sie das?«
Die Frau hinter der Tür hustete heftig.
»Ja.«
»Dürfen wir hereinkommen?«
Wieder ein langes Husten.
»Ich habe nichts mit ihm zu tun. Ich habe ihn seit Langem nicht
gesehen.«
Rebekka lächelte freundlich durch den Spalt.
»Wir müssen trotzdem mit Ihnen reden. Es dauert auch nicht lange.«
Doris Pedersen öffnete zögernd die Tür und präsentierte ihnen ihren
riesigen ungepflegten Körper. Sie trug eine schmutzige Jogginghose und ein
T-Shirt, das kaum ihren schlabberigen Bauch bedeckte. Das Haar glänzte fettig,
die Zähne waren braun. Sie sah sie misstrauisch an, studierte gründlich ihre Ausweise
und ließ sie herein.
Es roch durchdringend nach Zigarettenrauch und Bratfett. Doris
Pedersen lebte in einem Chaos aus Müll und kaputten Möbeln. Alte Zeitungen
stapelten sich, Papier und Milchkartons lagen überall im Wohnzimmer herum. Den
Boden bedeckte ein dicker curryfarbener Teppich, der über und über mit Flecken
in allen möglichen Nuancen übersät war.
»Gewöhnlich sieht es hier nicht so aus. Ich bin krank … Asthma.«
Doris Pedersen ließ sich in einen löchrigen Sessel in einer undefinierbaren
braunen Farbe fallen. Eine grau gestreifte Katze sprang mit einem zärtlichen
Miau auf ihren Schoß. Der Fernseher stand vor dem Sessel auf einem wackligen
Hocker und lief mit gedämpfter Lautstärke. Doris Pedersen zündete sich schwer
atmend eine Zigarette an, inhalierte tief und gab Michael und Rebekka ein
Zeichen, auf einem schwarzen abgenutzten Ledersofa Platz zu nehmen, das an mehreren
Stellen
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