Vergeltung
rufen
hörte.
»August! Was ist das für ein Lärm? August, wo bist du?«
Alex schaltete schnell das Licht aus, sprang in sein Zimmer, griff
nach seiner Hose und seiner Jacke, sah nach, ob Geldbörse und Schlüssel in der
Tasche steckten, schob die nackten Füße in die Turnschuhe und humpelte durch
die Kellertür in den Garten – hinaus in die Dunkelheit.
MITTWOCH, 29. AUGUST
Rebekka wachte
schweißgebadet auf. Jede Nacht schien Robin ein wenig näher zu rücken. Die
Träume wurden immer lebendiger und sie konnte sie kaum noch in Schach halten.
Wieder einmal hatte sie geträumt, dass sie im dunklen, kalten und stürmischen
Meer trieb und eine Qualle auf sie zugeschwommen kam und ihren Körper mit ihren
langen, fadenähnlichen Fangarmen umschloss. Die Qualle starrte sie mit Robins
Augen an. Rebekka keuchte laut, versuchte, sich zu orientieren, doch obwohl die
Vernunft ihr sagte, dass sie in einem Bett in einem Hotelzimmer lag, waren die
nächtlichen Albträume nur schwer abzuschütteln. Sie merkte, dass das Kopfkissen
nass war, und einen kurzen Moment glaubte sie, es sei Meerwasser, bis ihr klar
wurde, dass es nur ihr eigener Schweiß war. Sie schlurfte ins Bad und betrachtete
ihr blasses Gesicht im Spiegel. Sie seufzte, stellte sich unter die warme
Dusche und versuchte, ihr Tages-Ich wiederzufinden und die diversen anstehenden
Aufgaben zu planen.
Nachdem Rebekka mehrere Lagen
Foundation, Rouge und reichlich Mascara aufgetragen hatte, saß sie eine Stunde
später mit Michael, Susanne, Egon und Bettina im Besprechungszimmer und
berichtete über die Ereignisse des Vortags. Dann übergab sie das Wort an David.
»Wir haben mehr als fünfundzwanzig Personen verhört, die mit Anna
studiert haben, sowie fünf Dozenten. Keiner hatte etwas Wesentliches zu
berichten. Alle haben das Gleiche ausgesagt. Anna Gudbergsen war schön und
fleißig, nahm aber nur selten an den außeruniversitären Aktivitäten teil. Die
von uns Befragten waren ebenfalls der Meinung, dass sie irgendwie ›geheimnisvoll‹
war. Sie hat wenig über ihr Privatleben, ihren Freund oder ihre Freundinnen gesprochen,
aber zwei Kommilitoninnen ist immerhin aufgefallen, dass sie einige wenige Male
einen Liebhaber erwähnt hat. Man beachte die Formulierung: keinen Freund,
sondern einen Liebhaber.«
David sah sich in der kleinen Runde um, und Rebekka hatte den
Eindruck, dass er den Augenkontakt mit ihr mied. Sie stand auf und stellte sich
neben ihn.
»Ich danke Ihnen, David, und Ihnen, Susanne. Dieser Eindruck stimmt
mit dem überein, den Michael und ich gewonnen haben, als wir uns Gert Gudbergsens
Wohnung in Esbjerg angesehen haben. Wir haben uns ein wenig mit den
Geschäftsinhabern in der Fußgängerzone unterhalten und natürlich mit den
Mietern im Haus, doch alle haben das Gleiche gesagt, nämlich dass Anna sich nur
selten in der Wohnung aufgehalten hat. Das Gleiche trifft übrigens auch auf
Gert Gudbergsen zu. Der Mieter unter ihnen wusste jedoch zu berichten, dass er
im letzten Jahr manchmal heftiges Schluchzen aus der Wohnung gehört hat und es
hin und wieder im Bett heiß hergegangen ist. Und das Haus soll nicht mal besonders
hellhörig sein, hat er betont. Er konnte leider nicht sagen, ob er Gert
Gudbergsen, Anna oder einen Dritten gehört hat, aber dem werden wir natürlich
nachgehen.« Rebekka trank einen Schluck Kaffee, und David machte sich die Pause
zunutze.
»Mit anderen Worten: Wir haben nichts.« Er sah sich triumphierend
um.
»Richtig, David, so ist es«, antwortete sie. Sie verteilte gerade
die Aufgaben für den Tag, als die Tür aufflog und Teit Jørgensen hereinstürmte,
gefolgt von zwei Polizisten.
»Der Vogel ist ausgeflogen«, rief er, während er sie alle mit einem
zornigen Blick bedachte. Die anderen sahen ihn verwirrt an.
»Alex Pedersen natürlich. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, dass
ich ihn die ganze Zeit im Verdacht hatte. Und heute Nacht ist er wieder zum Gewalttäter
und Mörder geworden, und natürlich ist er anschließend abgehauen.«
Rebekka spürte das Blut aus ihrem Kopf weichen.
Teit Jørgensen konnte vor Erregung kaum sprechen, und Bettina
reichte ihm ein Glas Wasser, das er in einem Zug leerte.
»Wir sind vor Kurzem zu der Adresse Lærkebakken 4 gerufen worden, wo
Alex Pedersen, wie ja bekannt ist, bei einem älteren Ehepaar, August und Iris
Larsson, ein Kellerzimmer gemietet hat. Um 8.20 Uhr hat die häusliche
Krankenpflegerin uns angerufen. Sie hat wie üblich die Medikamente für das
Ehepaar gebracht
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