Vergeltung
direkt in die
lebhaften Augen.
»Sehr schön«, antwortete sie. »Ich habe mir gerade alles angesehen
und bin beeindruckt. Der Umbau muss viele Millionen Kronen kosten. Wer
finanziert das eigentlich? Freikirchen werden, soweit ich weiß, doch nicht vom
Staat unterstützt.«
John Mathiesen nickte freundlich und fuhr sich mit der Hand durch
das kräftige, dunkle Haar. Ihre direkte Frage schien ihn nicht zu brüskieren.
»Wir bekommen keine staatlichen Mittel, das ist richtig. Wir
verfügen zum einen über ein kleineres Vermögen, das hauptsächlich aus
Erbschaften von Gemeindemitgliedern kommt, und außerdem gilt bei uns das Gebot
des Zehnten. Jedes Gemeindemitglied spendet zehn Prozent seines Einkommens an
die Gemeinde. Und es ist kein Geheimnis, dass ich dieses Haus zu einem äußerst
vorteilhaften Preis von der Gemeinde gekauft habe. Wir werden mit unseren
Aktivitäten und unserem Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche, Familien und
Senioren, also für alle Bürger, einen wichtigen Beitrag für die Stadt leisten.«
John Mathiesen sah sich zufrieden um.
»Kommen Sie mit hoch und sehen sich den Rest an?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern schob sie sanft zu einer
Treppe in der Ecke, die nach oben führte. Die erste Etage bestand aus einer
Reihe von Büros und einem Besprechungsraum, einer modernen Küche und mehreren
Toiletten. Am Ende des Gangs lag ein helles Eckbüro, in dem ein riesiges Ölgemälde
eine gesamte Wand einnahm. Pink, Grün, Rot, Gelb und Blau sprangen ihr in die
Augen, und Rebekka amüsierte sich im Stillen darüber, dass sie einen Jesus mit
Lamm erwartet hatte und von moderner Kunst überrascht wurde. Es bestand kein
Zweifel, dass John Mathiesen ein neues Denken signalisieren, eine Brücke
zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen wollte. Das Büro selbst war mit
hellen klassischen Möbeln eingerichtet.
»Hier werde ich auf meinem Thron sitzen«, lachte der Pfarrer und
machte eine ausladende Armbewegung. »Wir sind noch nicht ganz so weit, unter
anderem haben wir noch kein Telefon und kein Internet, doch in ein paar Wochen
ist alles fertig und für die Einweihung bereit.«
Rebekka musste über seine Begeisterung lächeln.
»Das ist sehr imponierend. Wie groß ist die Gemeinde?« Sie ging zum
Fenster und blickte in einen schönen Garten hinunter, in dem Äpfel an dicken
Ästen hingen.
»Wir haben insgesamt sechshundert Mitglieder. Das ist ziemlich viel
für eine Freikirche. Hier im Haus werden täglich acht Personen arbeiten, und
natürlich die Ehrenamtlichen.« Er drehte sich um und sah sie an. »Es ist der
große Traum von mir und meinem Schwiegervater, ein Gotteshaus zu bauen, in dem
es viele interessante Aktivitäten und Angebote für die Bürger der Stadt gibt.
Wenn wir die Bürger der Stadt in der Liebe zu Gott sammeln können …«
John Mathiesen hielt mitten im Satz inne und blickte träumerisch aus
dem Fenster.
»Der bauliche Rahmen könnte nicht besser sein«, sagte sie. Er nickte
zustimmend und lächelte breit.
»Das Beste an dem Gebäude ist zweifelsohne sein Turm. Waren Sie
schon einmal oben?«
Rebekka schüttelte den Kopf und dachte flüchtig an ihre Höhenangst,
die zu überwinden sie als Auszubildende auf der Polizeischule enorme Kräfte
gekostet hatte. Sie hatte es jedes Mal geschafft, die Aufgaben auszuführen,
verspürte jedoch noch immer ein ziehendes Angstgefühl im Bauch, wenn sie sich
zu weit vom Boden entfernte. Sie gingen den Gang entlang zu einer kleineren
Tür, hinter der eine schmale Steintreppe auf den unausgebauten Dachboden
führte, dessen Sparren frei lagen. Es roch durchdringend nach Schimmel und
knirschte unter den Füßen, als sie auf Gesteinsbrocken und alte Planken traten,
die überall auf dem Boden herumlagen. Es waren ungefähr acht bis zehn Meter bis
zum Dach, das in einen kleinen Turm mit winzigen, mit Blei eingefassten
Fenstern mündete. Die Sonnenstrahlen warfen einen Lichtkegel auf den Boden, in
dem Staubkörner tanzten. Mitten im Raum stand ein hohes, noch nicht fertig
montiertes Gerüst.
John Mathiesen zeigte zum Turmfenster hoch.
»Die Handwerker werden den Dachboden restaurieren, der First, einige
Balken und das kleine Turmfenster müssen repariert werden. Ich möchte da oben
einen kleinen Absatz bauen lassen, damit man die Aussicht bewundern kann. Die
ist nämlich phantastisch, besser geht es nicht. Kommen Sie.«
Er griff nach ihrer Hand und zog sie mit auf das Gerüst. Sie spürte,
dass seine Hände warm, aber nicht
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