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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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sie hat ihn unterstützt und ihm
geholfen, genau wie das in einer solchen Situation zu sein hat«, sagte Helga Kofoed
und schnalzte mit der Zunge.
    »Ja, ja, John hat aber auch sein Päckchen zu tragen gehabt«, fügte
Bente Rasmussen hinzu, »er musste kämpfen, um dorthin zu kommen, wo er heute
steht. Sein Leben war kein reines Zuckerschlecken. Er hat unter anderem seine
erste Liebe verloren.«
    »Wie ist das passiert?«, fragte Rebekka und sah die ältere Frau
interessiert an.
    Helga Kofoed beugte sich vertraulich zu Rebekka vor.
    »Sie wurde ermordet. John war der Hauptverdächtige, er ist immer
wieder verhört worden, als würde die Polizei ihm nicht glauben. Der arme John,
er hatte doch nichts mit dem Mord zu tun«, flüsterte sie und schüttelte leicht
den Kopf.
    Rebekka spitzte die Ohren.
    »Wie hieß seine erste Freundin?«
    »Sie hieß Lene, Lene Eriksen, sie war auch eine nette junge Frau.«
    »Das war sie ganz bestimmt. Aber eine bessere Frau als Jane hätte er
nicht bekommen können«, entschied Bente Rasmussen.
    —
    Rebekkas Beine zitterten noch
immer leicht, als sie kurz darauf das Gemeindehaus verließ und Kurs auf ihr Hotel
nahm. Die Sonne stand tief über der Stadt, die Luft war mild und duftete süß,
aber trotz des Summens der Bienen und des frischen Geruchs nach Meer fror sie
innerlich. Sie schwang die Arme vor und zurück, atmete bis tief in die Lungen
und langsam wieder aus. Sie bemühte sich, sich darauf zu konzentrieren, was sie
essen oder welche Illustrierte sie kaufen wollte, doch wie sehr sie die Angst
auch abzuschütteln versuchte, verkeilte sie sich in jedem Gedanken. Sie hatte
das Gefühl, in jedem Jungen, der ihr auf der Straße begegnete, Robin zu sehen,
und jedes Mal verkrampfte sie sich und verspürte einen unerträglichen,
altbekannten Schmerz.
    Sie beschloss, Dorte anzurufen,
momentan das beste Ablenkungsmanöver.
    »Ich bin’s, Bekka.« Sie hörte Dortes atemlose Stimme und
Kindergeschrei. Schlechtes Timing, mitten am hektischen Spätnachmittag.
    »Bekka, schön, deine Stimme zu hören.« Dorte klang fröhlich. Sie gab
Rebekka das Gefühl, immer willkommen zu sein, obwohl der Zeitpunkt mit Sicherheit
nicht optimal war.
    »Wie geht es dir? Ich habe so oft an dich gedacht. Ich habe mich
nicht getraut anzurufen, die Medien kriegen sich ja förmlich nicht mehr ein
wegen des Mordes.«
    »Es ist ziemlich heftig. Wir haben wirklich alle Hände voll zu tun.
Und leider sind wir uns über die Prioritäten nicht ganz einig.«
    Sie hörte einen lauten Knall, dann rief Hans-David im Hintergrund,
dass Dorte kommen und ihm helfen müsse. Dorte seufzte laut.
    »Entschuldige, Bekka. Ich muss, die Kinder sind total außer Rand und
Band, und Hans-David offenbar auch. Sorry . Ich rufe
dich heute Abend an.«
    Rebekka steckte das Handy in die Manteltasche und schlug den Kragen
hoch. Es hatte plötzlich zu nieseln begonnen, und der Himmel überzog die halb
leeren Straßen mit einem violetten Schleier. Der Regen war weich und warm, sie
drehte das Gesicht dem Himmel zu und spürte die Regentropfen. Wieder stürmte
das Gefühl von Robins Anwesenheit auf sie ein. Sie hörte sein Lachen, sah seine
kleine Gestalt, die kräftigen Beine, die wie Trommelstöcke durch die Straßen liefen,
spürte seine kleine, feste Hand in ihrer … Langsam verliere ich den Verstand,
dachte sie. Das Hotel Ringkøbing tauchte vor ihr auf, Robin verschwand, und
Rebekka trat schnell in den Kiosk. Sie ging zu den ausgelegten Zeitschriften
und die vielen farbenfrohen Titelseiten lenkten sie ab. Sie griff sich einige,
wählte mehrere Tüten Süßigkeiten aus und beschloss, sich nach Möglichkeit zu
entspannen und ihre mentale Stärke zurückzugewinnen.
    —
    »Steh still, Kenneth.«
Janes Stimme war schärfer, als sie es beabsichtigt hatte, und der Junge sah sie
erschrocken an. Er hörte auf, mit den Füßen auf und ab zu wippen, und öffnete
stattdessen weit den Mund, sodass sie ihm die Zähne putzen konnte. Sie schnitt
eine Grimasse, die ein Lächeln sein sollte. Er sah sie dankbar an und ging
darauf ein, indem er sie stahlend anlachte. Er hatte ein fröhliches Gemüt.
Nicht wie Erik. Erik war immer so verschlossen, so zornig. Sie erinnerte sich
an ihn als kleinen Jungen, an seine Augen, die über den Rand des Laufstalls
schielten, an die Arme, die sie wegstießen, wenn sie ihn umarmen wollte. Sie
tat alles, ihn für sich einzunehmen, strengte sich an, sein Vertrauen zu gewinnen,
doch mit den Jahren musste sie einsehen, dass er

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