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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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sagte Jane Mathiesen, »erinnerst du dich
an die Dame, Rebekka Holm?«
    Der Junge nickte und schielte zu Rebekka hinüber.
    »Die Dame möchte gerne mit dir über Anna sprechen. Was sagst du
dazu?« Jane Mathiesens Stimme klang sanft und trällernd, und Rebekka wäre nicht
überrascht gewesen, wäre sie wie ein Vogel zwischen den geblümten Kissen
herumgeflogen.
    »Nein, Anna nicht.« Der Junge drückte das Gesicht gegen die Bluse
seiner Mutter. »Anna nicht«, wiederholte er.
    »Sie könnten vielleicht heute Nachmittag vorbeikommen. Das wäre
nicht ganz so beunruhigend für ihn, wie ins Präsidium zu kommen«, schlug Jane
Mathiesen vor und lächelte Rebekka vorsichtig an.
    »Dann machen wir das so. Ich komme um 17.00 Uhr«, antwortete Rebekka
und verließ die Pfarrersfamilie. Die Sonne schien und sie hastete davon, während
sie noch einmal die Nummer von Sanna Gudbergsen wählte. Sie meldete sich auch
diesmal nicht.
    —
    Rebekka sah die
Tageszeitungen durch, während sie an einem Sandwich nagte, das mit einer
synthetisch aussehenden gelblichen Masse belegt war, bei der es sich der Frau
in der Kantine zufolge um Eiersalat handeln sollte. Nach dem dritten Bissen
wurde ihr schlecht, und sie warf den Rest entschlossen in den Papierkorb. Sie
spülte den Mund mit Limonade aus, doch der Geschmack nach Eiern und fetter Mayonnaise
wollte nicht weichen, woraufhin sie eine Zahnbürste und Zahnpasta aus der
Schreibtischschublade holte. Sie hatte immer ein Set dort liegen, weil ihr das
Gefühl, ungeputzte Zähne zu haben, verhasst war. Sie ging zum Handwaschbecken
und putzte sich die Zähne, während sie in Gedanken den Fall durchging.
    Warum war Anna Gudbergsen ermordet
worden? Der Mörder musste sich von ihr äußerst bedroht gefühlt haben. Doch wie
konnte eine Zweiundzwanzigjährige eine so große Gefahr darstellen? Hatte Anna
etwas über jemanden gewusst, das nicht ans Licht kommen durfte? Die Gedanken
drängten sich in Rebekkas Kopf und kreisten weiter um die Familien Gudbergsen
und Mathiesen. Bilder von Gert und Anna Gudbergsen tauchten auf. Irgendetwas in
dieser Familie stimmte ganz und gar nicht; die Wohnung in Esbjerg mit dem
Doppelbett und der großen Spiegelwand, die Schachtel mit den Kondomen und die
Aussage des Nachbarn, aus der Wohnung Stöhnen und Weinen gehört zu haben. Sie
konnte sich auch des Gefühls nicht erwehren, dass etwas äußerst Unschönes
auftauchen würde, wenn man an der Oberfläche der Familie Mathiesen kratzte. Gab
es eine Verbindung zu dem unaufgeklärten Mord an Lene Eriksen 1984? Und wie
passte die verschwundene Anna Jelager ins Bild, wenn die Fälle denn überhaupt
zusammenhingen?
    Kopfschmerzen hämmerten gegen die Innenseite ihres Hinterkopfes.
Rebekka kniff die Augen zusammen und wünschte, dass Teit Jørgensen recht gehabt
hätte mit seiner ersten Vermutung, dass Alex Pedersen der Täter war. Der Fall
wäre aufgeklärt, und sie würde jetzt in Kopenhagen sitzen und ein appetitliches
Sandwich essen, wahrscheinlich mit Pastrami oder Mozzarella und Tomaten, und
wäre mit einem neuen Fall beschäftigt. Allerdings wäre sie dann auch – was ihr
plötzlich klar wurde – weit weg von Michael. Und das wäre alles andere als
optimal, stellte sie fest, während sie sich mit der Zunge über die sauberen
Zähne fuhr. Sie entschloss sich, die nächste Stunde darauf zu verwenden,
Kristian Mathiesen unangemeldet einen Besuch abzustatten.
    —
    Falls Kristian Mathiesen
erschrak, weil Rebekka bei ihm klingelte, zeigte er es nicht. Er lächelte sie
freundlich an und bat sie mit einer galanten Geste herein.
    Er wohnte in einer kleinen Wohnung
in einem modernen Wohnhaus, einige Kilometer von seinen Eltern entfernt.
Rebekka war überrascht, wie ordentlich die Wohnung war. Im Wohnzimmer jedoch
stand ein schöner, alter Eichenschreibtisch, der vor Papieren überquoll.
Kristian arbeitete offensichtlich gerade an irgendetwas. Eine Wand wurde von
Bücherregalen eingenommen, und am anderen Ende des Zimmers standen zwei alte
Lehnstühle und ein kleiner Tisch. Er bot ihr an, Tee zu kochen, sie nahm
dankend an und warf einen schnellen Blick in das Schlafzimmer, wo das Bett, ein
Doppelbett mit passenden Kissen, ordentlich gemacht war und die Kleider
sorgfältig zusammengelegt in einem kleinen offenen Schrank lagen. Über dem Bett
hing ein großes vergoldetes glänzendes Kreuz.
    »Sollen wir uns hierhin setzen?«, fragte Kristian und zeigte auf die
Lehnstühle, als er kurz darauf mit einem Tablett mit zwei

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