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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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dampfenden Teetassen
erschien.
    Rebekka war aufs Neue beeindruckt von dem Aussehen und dem Charme
des ältesten Sohns der Familie und verwundert über den Kontrast zu dem ein Jahr
jüngeren Erik. Warum hatte Anna sich nicht in Kristian Mathiesen verliebt, der
vom Alter und Aussehen her viel besser zu ihr passte? Sie nippten beide an
ihrem Tee, und Rebekka erklärte, dass sie zufällig vorbeigekommen sei und die
Gelegenheit habe nutzen wollen, etwas mehr über ihn, seine Familie und nicht
zuletzt über Anna zu erfahren.
    »Wie würden Sie Ihre Familie beschreiben?«, fragte sie und trank
noch einen Schluck von dem Tee, der nach Kräutern schmeckte.
    Die Frage schien ihn einen Moment zu verwirren, dann lächelte er sie
strahlend an.
    »Wir sind eine ganz normale christliche Familie. Mein Vater ist ein
bekannter Pfarrer und verbringt den größten Teil seiner Zeit in der Kirche. So
ist das schon immer gewesen. Meine Mutter ist Hausfrau im wortwörtlichen Sinn.
Sie kümmert sich um alles im Haus, nicht zuletzt um uns. Sie tut auch viel für
unsere Kirche, indem sie Basare organisiert und so. Ich bin letztes Jahr zu
Hause ausgezogen, als ich mit dem Gymnasium fertig war. Erik geht in die letzte
Klasse und bleibt meistens für sich, und dann ist da noch Kenneth. Seine Behinderung
erfordert viel Fürsorge.«
    »Was bedeutet Gott für Ihre Familie?«
    »Alles. Gott ist unser Leben. So sind wir erzogen worden.«
    »Was bedeutet der Glauben für Sie konkret?«, wollte Rebekka wissen.
    »Gott liebt uns, und Jesus ist für unsere Sünden gestorben. Das ist
die Essenz. Gott ist immer bei uns, bei allem, was wir tun. Wir beten jeden
Tag, studieren die Bibel und danken für das Essen. Ich kenne das nicht anders,
im Großen und Ganzen leben alle so, zu denen wir Kontakt haben.« Er lächelte
sie entwaffnend an und rührte seinen Tee um.
    »Anna nicht.«
    Kristian grinste leicht.
    »Nein, das stimmt. Anna nicht.«
    »Wann haben Sie sie das erste Mal getroffen?«, fragte Rebekka.
    »Das habe ich Ihren Kollegen doch schon alles erzählt. Wir haben
beide Handball gespielt und sind oft zusammen vom Training nach Hause gegangen,
und so haben wir uns langsam kennengelernt.«
    »Wie sind Sie mit ihr in Kontakt gekommen? Sie waren schließlich
anderthalb Jahre jünger?«
    Kristian wand sich auf seinem Stuhl.
    »Also, Anna hat nach mir gespielt, und ich habe oft zugesehen. Ich
habe den Mädchen gerne beim Spielen zugeguckt.« Letzteres sagte er mit einem
albernen Grinsen.
    »Dann haben also Sie Anna Erik und dem Rest der Familie
vorgestellt?«
    Kristian nickte freundlich.
    Rebekka holte ein Notizbuch aus ihrer Tasche und blätterte langsam
darin.
    »Wie war damals Ihr Verhältnis zu ihr?«
    »Rein freundschaftlich. Sie war schließlich, wie Sie selbst erwähnt
haben, älter als ich. Aber sie sah gut aus. Ich habe sie einfach gern
angesehen, und Anna mochte es, angesehen zu werden.« Wieder ein Grinsen.
Kristian Mathiesen hatte offensichtlich Oberwasser.
    »Waren Sie in sie verliebt?«
    »Überhaupt nicht. Ich fand sie lediglich attraktiv. Das taten alle. Alle .« Kristian sah Rebekka an. Die grüne Iris zog sich um
die schwarzen Pupillen zusammen.
    »Sie müssen sie sehr gemocht haben, wenn Sie sie Ihrer Familie
vorgestellt haben.«
    Kristian zuckte die Schultern und nahm sich reichlich Zeit, einen
Schluck Tee zu trinken.
    »Das habe ich wohl. Das ist alles so lange her. Es fällt mir ehrlich
gesagt schwer, mich an Einzelheiten zu erinnern. Sie war ein aufgewecktes,
nettes Mädchen, und ich war neugierig. Ich war schließlich in der Pubertät, und
das mit Mädchen war neu und spannend und äußerst verboten.«
    »Wie war es für Sie, dass Anna die Freundin Ihres kleinen Bruders
Erik wurde?«
    »Das kam erst später, viel später. Und das war okay für mich. Anna
hat mir auf diese Weise nichts bedeutet, ich war nicht an ihr interessiert, als
Freundin, deshalb war das für mich in Ordnung«, wiederholte er etwas lauter und
nestelte an seinem Uhrarmband herum. Er hatte breite, schöne Hände mit
ordentlich geschnittenen Nägeln.
    »Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert? Anna gehörte schließlich
nicht zu Ihrer Gemeinde. Das muss doch zu Problemen geführt haben.«
    Kristian streckte sich auf seinem Stuhl, der leicht unter ihm
knackte.
    »Meine Eltern haben versucht, es gelassen zu nehmen und auf die Zeit
zu setzen. Sie haben natürlich keinen Hehl daraus gemacht, dass die
Freundschaft sich nicht zu etwas Ernsthafterem entwickeln durfte. Erik

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