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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Freund namens Uwe hatte. Ich habe von Gabi keine Bestätigung erhalten, dass er mit dem Toten identisch ist. Ich vermute, sie wird aus Angst vor ihrer Freundin Hede nie zugeben, dass sie den Angreifer kannte. Aber es erklärt, warum sie auf Mord besteht. Sie hat einen Zeugen ihres heterosexuellen Seitensprungs beseitigt.«
    »Danke für den Hinweis«, sagte Beltz kühl. »Sie und Marie, Sie täten gut daran, keine große Geschichte daraus zu machen. Sonst wird das Gericht ein Exempel statuieren. Je weniger darüber geredet und geschrieben wird, desto besser. Auch und vor allem für Gabi.«
    »Ich werde es Marie ausrichten.«
     

9
     
    Draußen war es schattig, wie der Schwabe sagt, also kalt. Das Wetter hatte sich auf die Jahreszeit besonnen. Um die Straßenlaternen leuchtete ein Hof. Der Nachthimmel über Stuttgart smogte orangefarben, als wüteten in den Wäldern Großbrände. Hustenwetter.
    Freitagabend war der Taube Spitz rammelvoll. Sally wies mich auf die Prominenz hin. Die Starmoderatoren des SDR im Gespräch mit einem Volksmusikproduzenten aus München, der zum Nadelstreifen einen weißen Schal trug. »Die Menschen ham auf Gott vergessen, früher ist das anders gwesen.« Die Herren lachten heillos. Das war kein Ort für mich. Ich versprach Sally, sie um eins vor der Kneipe abzuholen und heimzufahren, und machte mich davon.
    Im Sarah gab es einen Vortrag über die »weise Wunde Menstruation«. Zilla und Petra werkelten hinter der Theke. Petras Augen waren leer, tot und rot, als habe sie geweint. Zilla stand wie die personifizierte Vernunft neben ihr. Jeder Handgriff ein Nimm-dich-zusammen. Eifersucht schwelte. An den Tischen saßen jede Menge Frauen, quatschten, rauchten, süffelten Drinks. Aus dem Nachbarzimmer drangen Fetzen des Vortrags über die dreizehn Zyklen der Mondin, Schmerzerfahrung, Naturverbundenheit und die unendliche Weisheit der Mütter. Die meisten Frauen an den Tischen waren weit entfernt von Mutterschaft. Indische Tücher um lange Hälse, kurze Matten auf den Schädeln, große Augen, dünne lange Arme mit qualmenden Zigaretten zwischen vielfach beringten Fingern, baumelndes Ohrgehänge. Ich war falsch angezogen. Aber ich war sowieso immer falsch, das gibt einem eine gewisse Sicherheit.
    »Sag mal«, fragte ich Zilla. »Was ist denn diese Hede für eine?«
    Zilla lächelte weise. »Eine Sappho.«
    Petra stellte die Ohren.
    Eine Rothaarige kam an die Bar. Es war die Rothaarige vom Sonntag. Sie hatte Querfalten auf der Stirn und dadurch ein altes Gesicht auf einem jungen Körper. Vermutlich eine Studentin. Sie bestellte eine Bloody Mary.
    Ich ging in meinem Kopf den Katalog der Anmache durch und erwiderte ihren kurzen Seitenblick lächelnd. »Kennen wir uns nicht von irgendwoher?«
    In Schwaben ging man nicht in Kneipen, um fremde Leute kennen zu lernen. Einwürfe von dritter Seite in die Kommunikation mit Freunden und Kellnern wurden in der Regel als Einmischung gewertet. Auf dem Dorf, wo jeder jeden kannte, saßen die Männer jeder für sich allein an seinem Tisch und hielten sich am Viertele fest. Die wenigsten Frauen im Sarah waren auf Brautschau. Die Rothaarige kehrte mit ihrer Bloody Mary zu einem Tisch zurück, an dem eine unscheinbare, völlig konventionelle Frau saß, die offensichtlich noch nicht wusste, ob sie sich hier wohl fühlen sollte. Doch die grünlichen Augen der Rothaarigen rutschten noch einmal in meine Richtung. Ich hob das Glas. Sie schaute weg.
    »Musst du dich wie ein Macho benehmen?«, fragte Zilla.
    »Weiß jemand was von heterosexuellen Beziehungen Gabis?«, erkundigte ich mich.
    »Ist das wichtig?«, hielt Zilla gegen.
    »Gabi ist sowieso keine richtige Lesbe«, sagte Petra plötzlich. »Alles bloß Schau.«
    »Woher willst du das so genau wissen?«, fragte Zilla leicht genervt.
    »So was seh ich.« Petra linste unter den Locken hervor, die eine Neigung hatten, ihr in die Augen zu baumeln. Das Erkennen war eine Frage des Blicks.
    »Für dich ist ja sowieso keine echt genug«, bemerkte Zilla gereizt.
    »Wenn dir das nicht passt, dann geh doch!«, fauchte Petra, ließ alles fallen, was sie gerade in den Händen hatte, und rannte aus dem Lokal.
    Zilla zuckte mit den Schultern. »Sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass frau im Laufe ihres Lebens eine Entwicklung durchmacht.«
    »Sie ist sehr jung.«
    Zilla seufzte. »Jung und kompromisslos.«
    Ich hatte wirklich nur vor, aufs Klo zu gehen, das man übers Treppenhaus erreichte. Aber auf der Treppe zum ersten Stock

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