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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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die Beleuchtung war zerdeppert. Ein Roller lag quer über dem Plattenweg zur Haustür. Ein Sandkasten, eine Schaukelanlage, zerbuddelte Rosenbeete. Ein Kläffer schlug an, als ich klingelte. Ein Mann öffnete. Der Terrier schoss mir an die Knöchel.
    »Keine Angst, der tut nichts.«
    Es hatte Rosenkohl gegeben. Der Mann war jung, aber deutlich ausgeapert, mager, halb kahl, blass. Er trug eine Strickjacke und Birkenstockpantoffeln.
    »Guten Abend. Sie sind Frau Nerz? Kommen Sie rein. Aber bitte leise. Die Kinder schlafen.«
    Und das, obgleich der Terrier tobte wie nicht gescheit. Der Mann versetzte dem Vieh einen flinken Tritt. Der Hund verschluckte sich und schwieg. Der Mann lächelte und streckte mir eine weiche Hand hin.
    »Ich heiße Beltz, aber das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht.« Er schlappte durch den Gang und öffnete die Wohnzimmertür. »Besuch für dich.«
    Frau Beltz hing klein und malad in einem Sessel, die Beine hochgelegt, eine Wärmflasche auf dem Unterleib. »Entschuldigen Sie. Ich fühle mich nicht so wohl. Sie verstehen?« Aber wie sie mir ihre schmale, gepflegte Hand hinstreckte, das war kühl und geschäftsmäßig. »Bitte nehmen Sie Platz.«
    Auf dem Eichentisch stand ein Adventskranz. Ein halb gepellter Schokoladennikolaus ohne Kopf lag zwischen Apfelsinenschalen, Malstiften und Teilen eines Mickymauspuzzles. Der Ehemann gab den Versuch, die Spuren des Zubettbringkampfes mit den Kindern zu beseitigen, schnell auf und verschwand. Aus der Küche drang Geschirrgeklirr.
    »Tut mir leid«, sagte ich, »dass ich Sie so überfalle.«
    Karin Beltz winkte ab. Sie hatte prächtiges aschblondes Haar, das glatt nach hinten gekämmt war und dort üppig und lang hinabfiel. Um die spitze Nase war sie ein wenig blass.
    »Wenn die Männer ihre Tage hätten«, sagte ich, »dann hät te man schon längst ein wirksames Mittel gegen die Schmerzen gefunden.«
    Beltz lächelte dünn. »Sie arbeiten für die Amazone ?« Sie richtete einen strengen Blick in ihre Stirnhöhlen. Vermutlich überlegte sie, ob sie vorgeben sollte, das Blatt zu lesen, oder ob ehrliche Unkenntnis, gepaart mit einem Hinweis auf Zeitmangel angesagt war.
    »Mir liegt vor allem Gabis Wohl am Herzen«, behauptete ich. »Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
    »Nein.«
    »Aber Sie wissen Bescheid?«
    »Ich habe Akteneinsicht beantragt.«
    Also wusste sie nicht mehr als ich. Warum hatte Marie mich dann hierher gescheucht? »Werden Sie Gabi vertreten?«
    »Ich denke schon.«
    »Wer trägt die Anwaltskosten? Wir oder die Familie Weiß?«
    »Soweit Marie mich unterrichtet hat, ist die Familie nicht so wohlhabend. Aber da erzähle ich Ihnen sicher nichts Neues.«
    Ob Louise damit einverstanden war, dass sie einer Sarah- Lesbe die Anwältin spendierte?
    »Sie kennen Marie?«
    »Wir haben zusammen studiert. Jammerschade, dass sie nicht dabeigeblieben ist. Aber das ist jetzt nicht das Thema.«
    »Haben Sie denn Erfahrung mit Strafsachen?«
    Das hätte ich nicht sagen dürfen! Beltz lächelte sehr säuerlich. »Sie sind noch nicht lang im Journalismus tätig, nicht wahr?«
    Ich beschloss, das Thema zu wechseln. »Ich habe Gabi heute besucht.«
    Beltz riss die grauen Augen auf. »Wie haben Sie denn das angestellt?«
    »Der Pfleger hat zu spät geschaltet. Gabi beharrt darauf, dass ihre Tat Mord war. Wird ihr das schaden?«
    »Im juristischen Sinne nicht. Soweit ich informiert bin, ermittelt die Staatsanwaltschaft auf Totschlag.«
    »Hat Marie Ihnen auch gesagt, dass wir davon ausgehen, dass Gabi mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem jungen Mann bedrängt worden sein muss?«
    »Dafür fehlt jeglicher Beweis, soweit ich weiß«, sagte die Anwältin kühl.
    »Uwe ist zwar nicht einschlägig vorbestraft«, sagte ich. »Aber das muss ja nichts heißen. Man müsste herausbekommen, ob er früher schon mal Frauen sexuell belästigt hat.«
    »Das würde aber immer noch nicht beweisen, dass Uwe auch im Fall Gabi versucht hat, zudringlich zu werden. Das Gericht befindet nicht über Uwe, sondern über Gabi. Und wie es aussieht, ist sie nicht vergewaltigt worden.«
    »Sie müsste wohl mindestens eine aufgeschlitzte Möse haben, damit man ihr glaubt«, sagte ich.
    »Solange sie selbst von einem Mord redet, können wir nicht von einer Notwehrsituation ausgehen.«
    Also doch! Gabi schadete sich selbst. Blieb nur verminder te Zurechnungsfähigkeit.
    »Wenn Sie Gabis Mutter befragen«, sagte ich, »dann kann es sein, dass sie Ihnen erzählt, dass Gabi mal einen

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