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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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saß Petra und schluchzte. Ich setzte mich neben sie und legte den Arm um die mageren Schultern. Sie flatterte wie ein Vögelchen.
    »Was regst du dich so darüber auf, dass Gabi sich für Jungs interessiert«, fragte ich. »Das kann dir doch scheißegal sein. Und bei Zilla kannst du absolut sicher sein, dass es vorbei ist mit den Männern. Du musst ihr auch in bisschen vertrauen.«
    Petra schluchzte auf. »Wie denn?«
    »Du kannst deiner Freundin nicht immer vorwerfen, dass sie dich betrügt und dann verlassen will. Sonst schmeißt sie den Bettel eines Tages wirklich entnervt hin.«
    Petra funkelte unter den Locken hervor. »Das wär dir dann vielleicht ganz recht.«
    »Ich stehe nicht auf Mütter«, sagte ich.
    Petra funkelte weiter. Ich musste Distanz gewinnen und stand auf. Petra griff nach meiner Hand und zog sich hoch. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und lächelte verschämt. »Du bist immer so … so gemein. Du hast so was Skrupelloses.«
    Ich schnappte mir die nächsten Worte direkt von ihren Lippen. Sie waren weich und salzig. Petras kleines Becken drängelte sich an meines.
    Eine Horde Frauen trampelte durchs Treppenhaus. »Hach, muss Liebe schön sein.«
    Ich schubste Petra die Treppe hinauf. Als wir in dem knarzenden Wohnungsflur standen, kam sie wieder etwas zur Vernunft. »Das geht doch nicht. Was würde Zilla dazu sagen!«
    »Typisch Weiber.«
    Petras kindlich überraschtes Lächeln machte mich toll. Wo nahmen diese hübschen Gören nur immer diese reizende Unerfahrenheit her? Ich hatte sie schon fast in einem salonähnlichen Zimmer, in dem Licht und Schatten von Möbeln und Straßenlaternen herumgeisterten, als mir klar wurde, dass ich mich in den Trieben vergriffen hatte. Ich war im Begriff, einem Mädchen die Unschuld zu rauben, einfach nur deshalb, weil ich es für mein gutes Recht, sogar für meine Pflicht hielt, der Krabbe beizubringen, dass man nicht ungestraft so herumkokettierte.
    Was würde Zilla dazu sagen? Sie war meine Freundin.
    »Was ist?«, flüsterte Petra großäugig.»Vergiss Zilla, ja? Ich bin es. Ich will es.«
    Ich ließ sie los. »Das kann ich Zilla nicht antun.«
    Petra wechselte jäh die Farbe. »Du Schwein!«
    Ich zog mich ins Treppenhaus zurück. Das war knapp gewesen.
    Zilla hantierte hinter der Bar und warf mir einen kurzen Blick zu. Die Frauen, die vorhin hereingekommen waren, bevölkerten jetzt einen Tisch. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich und Petra erkannt hatten, als wir auf der Treppe knutschten. Und wenn sie es Zilla gesagt hatten …? Und wenn nicht, Petra würde es ihr um die Ohren hauen wie ein nasses Handtuch.
     

10
     
    Immer samstags kurz vor Fertigstellung des Blattes hatten alle in der Redaktion zu erscheinen. Der Konferenztisch im Tagungsraum war noch leer, aber schon mit Tassen und Keksen bestückt.
    Martha hatte die Zeitungen gekauft und mir auf den Tisch gelegt, die einschlägigen Artikel rot angestrichen. »Frau tötet vermeintlichen Vergewaltiger« war noch das Harmloseste. Die BILD-Zeitung titelte unverblümt: »Lesbe erschlägt Mann: Rache«. Dem Reporter war es sogar irgendwie gelungen, Ga bi zu Gesicht zu kriegen. Er beschrieb sie als dicklich, hässlich, unzufrieden und psychisch krank. Was dachte eine Mutter, wenn sie so was über ihre Tochter las?
    Marie rief zur Konferenz. Sie legte die aus den Nähten quellende Textmappe auf den Tisch. Heute fielen die Entscheidungen. Aus irgendeinem Grund schaute Kollegin Helga mich nie an. Bettina, die Cartoonistin dagegen musterte im mer alle verträumt. Karola süffelte Kaffee, rieb sich die Augen und musste erst einmal wach werden.
    »Hast wieder zu viel gekifft«, bemerkte Marion lauthals.
    Die Grafikerin Brigitte war schon genervt, ehe es losging. Louises Platz blieb leer.
    »Ich habe mit Louise telefoniert«, eröffnete Marie. »Die Geschichte von Gabi soll noch in dieses Heft. Louise wird kommentieren.«
    Das bedeutete, dass ich meinen Artikel, wenn ich ihn denn fertig hatte, wieder umschreiben musste, nachdem Louise ihn für ihren Kommentar ausgeschlachtet hatte, um die Dubletten in den Formulierungen zu eliminieren.
    »Uwe«, sagte ich, »wird heute beerdigt. Ich muss nachher gleich weg.«
    Wenn Helga mich anschaute, dann sah sie immer so aus, als überreizte ich meine privilegierte Stellung. »Was geht uns ein toter Typ an? Wenn Frauen ermordet werden, interessiert immer nur der Täter. Und wenn ein Mann stirbt, dann interessiert das Opfer. Scheiße.«
    »Uwe war

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