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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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englischen Tweed seines Jacketts.
    »Es ist Nacht«, fuhr ich fort. »Uwe marschiert hinüber und klingelt. Magdalena Titten – mein Gott, dieser Name! – Magdalena denkt zuerst an gute Nachbarschaft und lässt Uwe rein. Uwe hält ihr ein Messer unter die Nase und sagt: Wenn du schreist, bringe ich dich um. Magdalena glaubt, wenn sie ihm zu Willen ist, dann kommt sie davon. Denn wenn sie sich gewehrt hätte, dann hätte ihr Freund später die Spuren gefunden. Uwe vergewaltigt und tötet sie. Vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge. Vielleicht schnippelt er noch ein bisschen an ihr herum. Der Metzger.«
    »Ach ja!«, sagte Krk. »Darum das Rasiermesser.«
    »Was?«
    »Na, der Rasierer, den man in den Taschen von Uwes Leiche fand, die Klingen.«
    Verdammt. Und ich hatte mir einen dieser elektrischen Schnurpeldinger vorgestellt. Wie hatte ich nur unhinterfragt akzeptieren können, dass ein ärmlicher Junge wie Uwe mit einem teuren Akkurasierer in der Jeansjacke herumlief? Das war das erste vielversprechende Indiz in einem Brei von Vermutungen. Ein Gillette ohne Rasierseife taugte nicht zum Bartschleifen.
    Krk blickte zu den Fenstern des Eckhauses empor. »Da oben liegt nun also die Leiche«, sagte er. »Aber Uwe hat sie nicht dort liegen lassen.«
    »Er fürchtete zu Recht, dass man ihn mit der Toten in Verbindung bringen könnte. Wie wir aus Gabis Artikel wissen, lässt Gewalt gegen Personen immer Rückschlüsse auf den Täter zu. Er musste Magdalena komplett verschwinden lassen.«
    »Aber die Polizei hätte doch sicher Blutspuren gefunden, wenn Uwe ein Messer benutzt hätte.«
    »Niemand hat danach gesucht. Magdalena galt als vermisst. Dem heimkehrenden Freund ist keine Veränderung in der Wohnung aufgefallen. Typisch Mann. Ja, wenn der Teppich auf einmal gefehlt hätte, dann hätte er es vielleicht bemerkt, aber ein Satz frischer Bettwäsche? Das fiel ihm nicht auf. Den Blutfleck auf der Matratze identifizierte der Freund bei späterer Gelegenheit wahrscheinlich als Reste des Beischlafs während der Menstruation.«
    »Und wohin nun mit der Leiche?« Krk steckte die Hände in die Hosentaschen und drehte sich um. Ein heller Dauerregenhimmel stand über den Friedhofsbäumen.
    »Zu nahe für ein Auto«, sagte ich.
    »Scheiß auf das Auto.« Er maß die Mauer. »Hast du schon mal versucht, eine schwabbelige Leiche über eine Mauer zu wuchten? Und das vor all den wenn auch nächtlichen Fensteraugen rundum? Und der Eingang des Friedhofs liegt auf der anderen Seite.«
    »Aber jeder Friedhof hat einen Hinterausgang für den Abtransport der ausgedienten Blumen.«
    Krk blickte die Straße hinab. »Ja, zum Beispiel dort unten.«
    »Und nun brauchen wir das Auto. Uwe schleift die Leiche nicht die Straße hinab. Er lädt sie in Mutters Kadett. Das ist riskant genug. Dann fährt er zum Törchen. Die Polizei muss den jetzigen Besitzer von Uwes Auto ausfindig machen. Man wird Blutspuren im Kofferraum finden.«
    »Gegen Tote wird nicht ermittelt«, bemerkte Krk und schlenderte zu Emma. Er schlotterte vor Kälte. Ich holte mei ne alte Lederjacke aus dem Kofferraum und warf sie ihm zu.
    Bis zum Friedhofstörchen waren es hundert Meter. Das Törchen war abgeschlossen, aber leicht zu übersteigen. An der Mauer häuften sich Blumenabfälle. Dabei stand ein Geräteschuppen. Auch er war abgeschlossen. Wahrscheinlich enthielt er einen Rasenmäher und einen Laubsauger. Etwas leichtes Gerät, Schaufel, Rechen und Gießkannen lehnten draußen an der Holzwand.
    »Na bitte«, sagte ich. »Auf einem Friedhof fällt ein neues Grab nicht auf.«
    »Nur dem Friedhofspersonal!« Krk fühlte sich sichtlich wohl in der abgeschabten Jacke mit dem Schafspelzkragen. Sie machte ihn jung und verwegen.
    »Na dann«, sagte ich, »gehen wir und fragen das Personal.«
    Krk setzte sich ergeben in Bewegung. Hier in den hinteren Teilen gab es etliche freie Flächen. Zur Kapelle hin verdichteten sich die Grabsteine. Trotz des Regens waren einige unterwegs, hauptsächlich alte Frauen in grauen Mänteln.
    »Woran erkennt man denn das Friedhofspersonal?«, fragte ich.
    »Der Totengräber an sich ist alt, dürr und gebeugt.« Krks Augen hefteten sich an den Rücken eines Männchens, das mit Hut und Stock zum Hauptausgang schlurrte. Dort stand das Verwaltungsgebäude. Eine Frau von fünfzig pinnte Beerdigungstermine in einen Glaskasten an der Wand.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Krk.
    Die Frau fuhr herum. Sie hatte kurze graue Haare, schwar ze Augen und das helle,

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