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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ich«, sagte Marie im leisen Ton der Mächtigen, »dass dafür der Begriff ›Türkenbatterie‹ nicht angebracht ist. Zumal niemand die Assoziation mit Legebatterie versteht.«
    »Entweder der Text wird so gedruckt, wie er ist, oder ich kündige«, schrie Helga.
    Karola erschien in ihrer Zimmertür: »Geht es nicht ein bisschen leiser?«
    Marie schob die Hände in die Taschen ihrer knappen Jeans und zog die Schultern hoch. Der hilfesuchende Blick, den sie mir zuwarf, entschädigte mich für erlittene Schmach. Worauf sollte ein Mensch sich noch verlassen können, wenn Marie sich nicht mehr auf meine bedingungslose Bewunderung verlassen konnte?
    »Ich finde übrigens auch –«, sagte ich.
    »Dann leck deiner Marie doch gleich die Schuhe«, keifte Helga. »Oder noch besser den Arsch. Vielleicht begreift sie dann, dass es Frauen besser machen als ihre Kerle.«
    Martha verschwand fast unter dem Schreibtisch.
    Marie drehte sich auf dem Absatz um und schlug die Tür zu.
    Helga schleuderte das Manuskript auf den Teppich und stürzte zur Tür hinaus ins Treppenhaus.
    Ich begab mich zu Maries Büro und öffnete die Tür.
    Sie saß am Schreibtisch, die Ellbogen auf der Platte, das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern zuckten.
    »Weinst du?«, fragte ich töricht.
    »Nein.« Meine tröstende Hand schüttelte sie von der Schulter. Ihre Augen waren erschreckend klar, nicht so ihre Stimme. »Dieser sinnlose Kleinkrieg zwischen Heteros und Lesben. Er steht mir bis hier!« Vor allem Zorn fuchtelte in ihrer Stimme herum. »Ich habe mich nicht um den Posten gerissen, wahrlich nicht! Zwischen Louise und der Redaktion stehen, glaub mir, das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Aber ich kann es nun mal nicht ändern, dass ich Louise vertreten muss. Und was ich tue, tue ich richtig.«
    »Langsam mache ich mir Sorgen um Louise«, sagte ich. »Nicht einmal Martha scheint zu wissen, wo sie steckt.«
    Marie blickte mich an. »Ehrlich gesagt, ich habe bereits bei verschiedenen Freundinnen von Louise angerufen. Nichts. Sie muss auf ihrem Monrepos sein. Zumindest bis gestern. Denn da kam ja das Fax.«
    »Soll ich mal hinfahren?«
    »Um Gottes willen! Bist du wahnsinnig? Wetten, sie taucht morgen oder übermorgen hier auf und schimpft uns aus wie kleine Kinder, die der Mutter kein bisschen Freiheit gönnen.« Marie lächelte wieder und schob sich die Haare hinters Ohr.
    »Sag mal«, fragte ich. »Was ist eigentlich damals aus deinem Interview mit Hede geworden?«
    Marie zog die schönen dunklen Brauen zusammen. »Wie so? Ich weiß nicht.«
    »Es wurde nie veröffentlicht.«
    Marie war plötzlich unkonzentriert. »So? Ach ja, ich erinnere mich. Es war … es war Mist. Ich hatte vorher ja nie was mit Journalismus zu tun gehabt. Louise hat es zerpflückt, und dann haben wir beschlossen, es zu lassen.« Sie lächelte schief.
    »Wie bist du denn dann eigentlich zur Amazone gekommen? Ohne journalistische Erfahrungen?«
    »Wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe eigentlich immer geschrieben. Dann habe ich mal was an die Amazone geschickt. Es war etwas über eine Kindsmörderin. Mit dem Fall hatte ich damals während meines Referendariats am Gericht zu tun. Louise rief mich an. Wir trafen uns. Und sie wollte, dass ich sofort bei ihr anfange.«
    »Liebe auf den ersten Blick«, sagte ich.
    Marie seufzte. »Hör bloß auf. Ich bin nicht lesbisch. Es tut mir ja leid. Aber es muss doch möglich sein, die Sache der Frauen auch dann zu vertreten, wenn man Beziehungen zu Männern hat.«
    Marie hatte nie angedeutet, dass sie in ihrer Freizeit Beziehungen zu Männern oder auch nur zu einem Mann hatte. Doch solche Enthaltsamkeit zu kommentieren hinderte sogar mich der Takt. Es gab auch Frauen, die niemals Sex hatten, noch haben wollten.
    Maries Augen blitzten blau und blank. In den Zeiten unserer Antipornokampagne hatte ich diese Augen ungerührt auf Rotlichtvideos ruhen sehen, durch nichts, auch nicht durch haarige Männerärsche, Luftballonbusen und Sadomaso-Szenen zu trüben. Und genauso locker und leicht, wie Marie den Zungenbrecher »patriarchalistisch« über die Lippen brachte, genauso selbstverständlich hantierte sie, wenn nötig, mit der Ficker-Fachsprache. Verklemmt war sie nicht. Das nicht. Und trotzdem jungfräulich.
    »Wieso hast du deine juristische Karriere für diesen schlecht bezahlten Himmelfahrtsjob hier aufgegeben?«
    »Vor zwei Jahren wusste ich noch nicht, dass ich das hier machen würde. Ich wusste nur, Richterin, Anwältin, Staatsanwältin

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