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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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zwei Jahren. Aber ich hatte bislang noch nicht einmal das sehr stattliche Vermögen angetastet, das mir zugefallen war und auf meiner Bank Zinsen trieb.
    »Seitdem«, sagte ich, »fahre ich lieber selbst.«
    Er nahm mein Lächeln ab. »Aber nicht so, dass man dir Ängstlichkeit nachsagen könnte.« Er stand auf, räumte die Nahrungsmittel weg, sammelte das Geschirr ein, hielt den Teller unter den Wasserhahn, spülte das Messer ab und stapel te alles auf der Spüle. »Übrigens«, murmelte er, »mir gefällt sie, deine Narbe.«
    »Du bist ja auch pervers«, sagte ich.
    Krks Scheinwerfer flackerten.
    Ich schlüpfte in den Flur, um ihn zu entlasten. Er kam mit einer frisch entzündeten Zigarette hinterher und zog sich seinen dunkelgrauen Sakko über. Meine Empfehlung, sich mit Regenmantel und Gummistiefeln auszurüsten, schlug er mit den Worten in den Wind: »Ein Journalist schützt sich nicht vor Unbill und Elend, er setzt sich ihnen aus. Alles andere wäre zynisch.«
    »Du bist doch kein Journalist. Du bist Fotograf.«
    »Für Fotografen gilt das umso mehr, je aufdringlicher sie der Welt mit dem Objektiv zu Leibe rücken.«
    Ich spielte mit dem Gedanken, ihn nach den Aktfotos zu fragen. Immerhin betrieb er seinen Job mit viel Körpereinsatz.
    In Degerloch herrschte Weihnachtseinkauf. An der Ampel gab es Stau. Der Berufsverkehr lauerte in die Stadt hinab. In einem Schaufenster unter dem Schriftzug »Laukin« turnten Damendessous: Tangaslips, Seidenhemdchen, bügelbewehrte BHs. Mich fröstelte. Das war keine Auslage für den Winter. Aber halt!
    »Grüner wird’s nicht«, sagte Krk.
    Vor mir waren die Autos schon abgefahren. Ich trat aufs Gaspedal. Krk hielt sich fest. Auf der Schnellstraße Richtung Möhringen fädelte ich mich mühsam zu dem Gedankengang zurück, bei dem die grüne Ampel mich unterbrochen hatte. BHs und Laukin. Kürzel und ein Name. Das kam mir bekannt vor. So etwas Ähnliches hatte ich vorhin in einem kleinen schwarzen Buch gelesen. Ich sah es vor mir: »Laukin 26.8.« Uwes Opfer hatte Dessous gekauft. Aus irgendeinem Grund wurde mir angst und bange. Oder war es nur die Erregung des Jägers, die auch Uwe empfunden haben musste, wenn er seine künftigen Opfer allmählich identifizierte?
    »Kann es sein«, fragte Krk, als wir uns über den Vaihinger Schillerplatz in die Schlucht zwischen Schwabenbräu und Obstsäfte schoben, »dass du mir Informationen vorenthältst?«
    »Ich werde doch einen Frauenfeind nicht munitionieren«, sagte ich.
    »Ich habe nichts gegen Frauen. Ich mag sie.«
    Ich lachte. »Trüffel mag man oder Eisbein. Und zwei Fein de hat der Mann: den Alkohol und die Frauen.«
    »Und sich selbst.«
    »Quatsch!«, erklärte ich. »Männer haben Verstand, Kraft und Erektionen, Frauen haben ihre Tage und Heulkrämpfe. Frauen, die es mit Männern treiben, sind Huren, und Frauen, die es mit Frauen treiben, sind keine mehr. Beide sind gefährlich für euch, weil sie euch nicht mehr gehören! Darum tötet ihr sie.« (Himmel, was habe ich damals nur so von mir gegeben! Und so verbittert! Wieso eigentlich? Inzwischen haben wir doch sogar eine Bundeskanzlerin.)
    Krk seufzte abgrundtief. »Warum willst du dann ausgerechnet zu uns Henkern gehören? Männer sind dumm und unsensibel«, verurteilte er sich selbst.
    »Ein unschätzbarer Vorteil«, sagte ich. »Wer keine Phantasie hat, weiß nicht, dass er andern wehtut. Vor allem im Beruf.«
    »Und was ist mit den Männern, denen die Karriere nicht liegt und die lieber Kinder großziehen würden?«
    »Und die – nicht zu vergessen – auch mal weinen wollen. Kennst du einen?«
    »Mich zum Beispiel.«
    Ich lachte Hohn. »Der Hausmann vergisst nie, dass ihm Kindergebrabbel nicht reicht. Er organisiert sich eine Putzfrau und schreibt, malt, macht Musik oder fotografiert, zum Beispiel nackte Mädchen.«
    Krk grunzte.
    »Dem Hausmann verzeiht man ungeputzte Fenster, der Hausfrau nicht. Der Hausmann wird bestaunt, die Hausfrau übersehen. Hausfrauen haben fettige Haare und Figurprobleme, weshalb sich die Gatten dann der Sekretärin zuwenden.«
    »Ein Hausmann ist für eine Frau auch nicht attraktiv.«
    »Aber«, trumpfte ich auf, »ihr macht die Regeln, nicht wir.«
    Er schwieg.
    Im Damhirschgehege stand der Schlamm knöcheltief. Die edlen gefleckten Tiere standen mümmelnd an der Heutraufe. Ein paar Wildschweine suhlten sich am Zaun. Ein gekiester Weg führte am Zaun entlang. Es würde eine stundenlange Schnitzeljagd werden. Krk hatte tunlichst darauf

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