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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Zimmer zu schlafen, in einem Bett, ein Badezimmer zu haben, einen Fernseher – alles für sich allein. Außerdem genug Geld zu besitzen, um etwas zu essen zu kaufen, ins Kino zu gehen oder einen Kaffee zu trinken.
    Oder sich Frauen zu kaufen.
    Der Mann im Hotel hatte ihn gefragt, ob er eine Frau wolle.
    Er hatte noch nie eine gehabt, und bevor er richtig darüber nachdenken konnte, hörte er sich ja sagen.
    Eine Stunde später traf sie ein.
    Wunderschönes langes schwarzes Haar, volle Lippen.
    Sie lächelte, weil er sich ganz augenscheinlich unwohl fühlte, und fragte: »Bist du noch Jungfrau?«
    Er antwortete nicht, was als Antwort völlig ausreichte.
    »Keine Sorge«, sagte sie. »Das geht ganz von alleine, und was dich die Natur nicht lehrt, das bringe ich dir bei.«
    Und genau das tat sie.
    Und wie. Sie brachte ihm wunderbare Dinge bei. Es ging sehr schnell, aber sie meinte, beim nächsten Mal würde es besser werden, und auch damit behielt sie recht. Er wusste, dass er eine schreckliche Sünde beging, aber es war ihm egal. Heute Abend will er sie wieder haben.
    Jetzt denkt er an Barcelona.
    Und hat ein schlechtes Gewissen.
    Wie ein Verräter.
    Später am Abend, als er bei der Frau liegt, geht er ans Telefon.
    Der Anruf erinnert ihn daran, dass er trotz aller Annehmlichkeiten des Lebens mit dem Tod verlobt ist.
    Ulrich kickt seinem Sohn den Ball zurück.
    Gerade fest genug, dass der sich anstrengen muss, aber nicht so, dass es ihn frustriert. Mit acht Jahren entpuppt sich Bernd bereits als vielversprechender Fußballspieler, der Junge lebt und atmet für den HSV. Ulrich hat ihm noch nicht gesagt, dass es ihm gelungen ist, Karten für das Spiel heute Abend gegen Dortmund zu ergattern. Die Karten waren sündhaft teuer, aber der Junge wird sich wahnsinnig freuen, erstens, weil er seine Helden persönlich zu Gesicht bekommt, und außerdem, weil er mal Zeit mit seinem Vater verbringen kann. Antje war so nett zu behaupten, sie habe keine Lustmitzugehen – obwohl sie ebenfalls Fan ist –, so dass sie jetzt einen Vater-Sohn-Abend haben werden.
    Bernd nimmt den Ball an und schickt ihn gewandt auf Ulrichs linken Fuß. Ulrich lässt ihn aufspringen und gibt gerade wieder ab, als sein Handy klingelt. Er gräbt das Telefon aus seiner Jeanstasche, sieht auf dem Display, wer anruft, und weiß, dass er drangehen muss.
    Er sieht die Enttäuschung in Bernds Gesicht und wirft ihm einen Blick zu, der sagen soll: »Kick zurück, wir spielen weiter«. Dann meldet er sich.
    »Ja … ja … verstehe.«
    Er legt auf.
    »Wer war das, Papa?«, fragt Bernd mit vor Sorge angespannter Stimme.
    »Ein Mann, mit dem ich arbeite«, erwidert Ulrich. »Kickst du mir den Ball jetzt zu oder muss ich ihn mir holen?«
    »Komm und hol ihn dir«, antwortet Bernd lachend.
    Ulrich läuft auf ihn zu und fordert ihn heraus, lässt den Jungen aber um sich herumdribbeln und einen Treffer auf das Garagentor landen. Sie spielen noch ein paar Minuten, dann geht Ulrich ins Haus und findet Antje im Arbeitszimmer.
    »Den Gesichtsausdruck kenne ich«, sagt sie, als er sich auf die Sessellehne setzt. »Wann?«
    »Heute Abend.«
    »Aber du wolltest doch …«
    Er schüttelt den Kopf. »Heute Abend fahre ich nicht. Morgen ist genug Zeit.«
    »Nicht wirklich«, erwidert Antje. »Und wenn du ›nein‹ sagst?«
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil der Job noch nicht erledigt ist«, erwidert er. Er hatden Auftrag angenommen, er muss ihn jetzt durchziehen. Außerdem brauchen sie das Geld. Sie haben das Haus erst vor kurzem gekauft und beschlossen, sich in Hamburg niederzulassen, die Stadt zu ihrem Zuhause zu machen, nach all den Jahren, in denen sie von Stützpunkt zu Stützpunkt gezogen sind.
    Ulrich weiß, was sie denkt – der Job wird niemals erledigt sein –, und er kann’s ihr nicht verdenken. Sie hat über die Jahre so viel Geduld bewiesen, ihn immer unterstützt. Es ist verständlich, dass sie sich jetzt wünscht, er wäre häufiger zu Hause, würde gemeinsam mit ihr leben und nicht nur zu Besuch reinschneien.
    »Das ist das letzte Mal«, sagt er.
    Noch ein Auftrag, und das Haus ist abbezahlt, dann nimmt er die Stelle an, die ihm angeboten wurde – beim Sicherheitsdienst einer Kaufhauskette hier in der Gegend. Nicht unbedingt die Herausforderung, die er gewohnt ist, aber es kommt genug Geld dabei rum, und er wäre fast jeden Abend zum Essen zu Hause. Er wäre dabei, wenn Bernd mit seiner Mannschaft spielt, wäre an den Wochenenden da, sie

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