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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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die Droge niemals vergessen lässt, ist die Droge.
    Jetzt legt er sich aufs Bett und blickt aus dem Fenster seines Hotelzimmers auf die kleine kroatische Stadt Hvar. Überlegt,ob er ein bisschen rausgehen soll, aber eigentlich ist ihm das zu anstrengend.
    Zuerst hatte er an die Karibik gedacht, dann an Polynesien, dann kam ihm das alles vor wie so ein Mist aus dem Reisekatalog. Fruchtige Cocktails mit Schirmchen drin, Platten voller Fusion-Food-Häppchen und dieser ganze schöne Scheiß. Er entschied sich schließlich für die Küste Dalmatiens, auch weil sie so nah lag. Ein Ort zum untertauchen. Ein Ort, an dem man leicht an Drogen kommt. Und an die Schottinnen, die hier billig Urlaub machen – zweihundert Pfund für Flug plus Hotel mit Halbpension, den Strand gibt’s umsonst, nur das Bier muss man noch selbst bezahlen.
    Dazu ist er aber noch gar nicht gekommen.
    Wird Zeit.
    Aber das bedeutet, dass er aufstehen muss. Nur um wieder in die Kiste zu springen. Kommt ihm vor wie Energieverschwendung. Durch die Kiefern vor dem Haus schimmert der Ozean, der Sonnenuntergang ist wunderschön. Ein orangefarbenes Glühen, das zu seinem eigenen Inneren passt.
    Alles ist friedlich, und mehr wollte er doch nicht, oder?
    Zur Abwechslung mal ein bisschen Frieden.
    Ist das denn so viel verlangt?
    Er dämmert weg.
    Wird, keine Ahnung wie viel später, von einem Klopfen an der Tür geweckt. Er brüllt: »Verpiss dich!«
    »Zimmerservice, Sir.«
    »Ich hab nichts bestellt«, sagt er, steht auf und schlurft zur Tür. Oder vielleicht doch, ich weiß nicht mehr, was ich getan habe oder nicht, aber ein Burger oder ein Kebab wären jetzt gar nicht so verkehrt.
    Er macht die Tür auf.
    Vor ihm stehen Lev und Willem.


    Das Becken der Frau hebt sich vom Bett wie eine anbrandende Woge.
    Georges Malouf betrachtet es voller Bewunderung.
    So etwas Schönes, das Becken einer Frau.
    Er hatte sie in dem Café in Beirut gesehen, sie war im Rock an ihm vorbeigegangen, der Stoff hatte leise geraschelt, Sirenengesang. Als sie sah, dass er sie anstarrte, hatte sie ihren eleganten Hals gedreht und ihn angelächelt.
    Er hatte zurückgelächelt.
    Da hatte Georges Malouf Bescheid gewusst. Diese wunderschöne Kreatur interessierte sich nicht für ihn als Mann, sondern für sein Geld, was ihn aber nicht wütend darüber machte, dass er alt war, sondern dankbar dafür, dass er Geld hatte.
    Seine Freunde gaben ständig vor ihm an: »Ich musste noch nie im Leben dafür bezahlen.« Worauf Malouf erwiderte: »Dann lebt ihr noch nicht lange genug.« Außerdem hatte er sowieso nie verstanden, weshalb man eine Amateurin einem Profi vorzieht. Mrs Malouf hatte ihm fünf wunderbare Kinder und ein schönes Leben geschenkt, aber im Schlafzimmer war sie mehr Mutter als Geliebte.
    Die Frau hatte gelächelt, Malouf hatte zurückgelächelt und auf den freien Stuhl gezeigt.
    Sie hatte sich gesetzt und mit der Verhandlung begonnen, dem Tanz von »nein« bis »vielleicht« bis »ja«, sie hatte eine Abmachung mit dem Commodore Hotel nur eine Straßenecke weiter.
    Jetzt nimmt er sich einen Augenblick Zeit, um das Wogen ihres Beckens zu genießen.
    Schöne Frauen sind wie ein gutes Essen, denkt Malouf.
    Junge Männer schlingen, alte Männer kosten es aus und genießen. Ein Festschmaus für Augen und Nase – ihr Parfüm ist betörend – ebenso wie für seine Lenden. Er sieht sie an und sieht, dass sie etwas über seine Schulter hinweg entdeckt hat. In seiner Branche wird man nicht so alt wie er, wenn man …
    Zu spät.
    Ein Unterarm legt sich um seinen Hals, und er wird auf die Zehenspitzen gezogen. Der Atem seines Angreifers riecht nach Zwiebeln, als er ihm zuraunt: »Abdullah Aziz sagt: Überleg dir genau, wen du empfiehlst.«
    Malouf sieht die Frau traurig an.
    Sie ist das letzte Schöne, das er sieht.
    Dann bricht sein Genick, und er spürt nichts mehr.
    »Wo bist du gewesen?«, fragt Lev.
    »Da, wo ihr alle wart«, erwidert Simon. Er weicht zurück und setzt sich aufs Bett. »Hab mich bedeckt gehalten. Wie habt ihr mich gefunden?«
    »Du hast schlampig gearbeitet«, sagt Willem. »Hast ein Zugticket mit deiner Kreditkarte bezahlt. Ganz schlechtes Handwerk, Simon.«
    Lev fallen die Spritze und der Löffel ins Auge.
    »Nur ein bisschen was zum Chillen«, sagt Simon. »Nimmt ein bisschen die Anspannung raus.«
    »Was war los mit dir in Barcelona?«, fragt Willem.
    »Spanische Bullen«, erwidert Simon. »Die waren direkt hinter mir, und ich wollte sie nicht zu euch führen.

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