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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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könnten Leute zum Essen einladen und all das machen, was »normale« Paare so machen.
    »Wirklich?«, fragt Antje.
    »Versprochen.«
    Sie drückt seine Hand. »Pass auf, dass Bernd heute Abend seinen Schal trägt.«
    »Mach ich.«
    »Ich bleibe auf, bis ihr wieder da seid.«
    »Das ist nett.«
    »›Nett‹?«, fragt sie. »Wir sind zu lange verheiratet.«
    Nein, denkt Ulrich.
    Für mich niemals lange genug.
    Alle melden sich.
    Alle sagen ja.
    Alle außer Simon.


    »Simon war’s nicht«, sagt Lev. »Ihr habt den falschen im Verdacht.«
    Das Team sitzt im Besprechungsraum des neuen Stützpunkts in der Tatra, einem Gebirge in der Slowakei, unweit der polnischen Grenze.
    Ulrich hat das Camp dank seiner Kontakte gefunden. Seine alte Einheit hatte hier in der Nähe vor einigen Jahren ein Höhentraining absolviert. Eine kleine Finanzspritze an einen slowakischen Bürokraten gewährleistet ihnen ein paar Wochen Ungestörtheit.
    Das Camp ist ganz anders als das in Costa Rica.
    Erstens ist es kalt, es befindet sich auf einer windgepeitschten Bergkette, an deren felsigen Hängen nur einige wenige dürre Kiefern wachsen. Statt in Containern wohnen sie in Bergsteigerhütten – kleine steinerne Behausungen mit Holzdächern, ausgelegt für jeweils zwei Mann. In jeder Hütte befindet sich ein Holzofen, die Scheite sind draußen unter blauen Plastikplanen im Schnee aufgestapelt.
    »Wer ist während des gesamten Einsatzes nicht aktiv geworden?«, fragt Donovan.
    »Wir wissen doch gar nicht, was mit ihm passiert ist«, beharrt Lev gegenüber der Gruppe. »Was glaubt ihr denn? Dass er sich einfach betrunken hat und nicht mehr blicken lässt? Einfach so nicht mehr ans Telefon geht? Wenn einer ein Verräter ist, dann nicht Simon, sondern der .«
    Er zeigt auf Amir.
    Amir will sich auf ihn stürzen.
    »Ich mach dich fertig, yahoudi .«
    Michel hat Mühe, ihn zurückzuhalten. Willem springt dazwischen und hilft ihm.
    »Vielleicht sitzt Simon irgendwo in einem Keller«, sagt Lev, »wird gefoltert, und wir machen’s uns mit dem da gemütlich, nur damit er uns alle verraten kann.«
    »Das ist gelogen! Du bist ein Lügner!«
    »Überlegt doch mal«, bohrt Lev weiter. »Wer hat ein Motiv? Ein erfahrener Special-Op, der über seine gesamte berufliche Laufbahn hinweg Terroristen bekämpft hat? Oder dieser Möchtegern- shahid, der bei der Hamas in die Schule ging? Wäre doch nicht dein erster Verrat, Amir, oder?«
    Amir reißt sich los und stürzt sich auf Lev.
    Dave stellt sich dazwischen und stößt ihn zurück.
    »Du warst mit ihm in der Hotelsuite, Collins«, sagt Lev. »Was hat er da gemacht? Hat er überhaupt irgendwas gemacht?«
    »Er wurde in Schach gehalten und bedroht.«
    »Erst hat er dich in die Falle gelockt«, erwidert Lev, »dann ist er in Deckung gegangen. Er ist ein Verräter und ein Feigling.«
    »Jetzt reicht’s«, sagt Donovan zu Lev.
    »Es reicht noch lange nicht«, erwidert Lev. »Ich sage euch was – ich werde keinen weiteren Einsatz mit diesem Mann durchziehen, und wenn ihr schlau seid, macht ihr das genauso wenig. Nicht, bevor wir nicht wissen, wo Simon steckt.«
    »Da hat er nicht ganz unrecht«, sagt Alessandro.
    Amir starrt ihn wütend an.
    »Das hat nicht unbedingt was mit dir zu tun«, sagt Alessandro zu ihm, »es geht um den Einsatz. Möglicherweise sindwir gefährdet, und das wissen wir erst, wenn wir wissen, was mit Simon los ist.«
    »Wenn er gefangen genommen wurde«, sagt Willem, »müssen wir ihn finden und befreien. Wenn er tot ist, müssen wir ihn beerdigen. Wenn es was anderes ist, müssen wir’s rauskriegen.«
    »Amir hat ihn verkauft«, sagt Lev.
    »Du hast deine Ansicht bereits deutlich genug zum Ausdruck gebracht«, sagt Donovan. »Wenn du von Simons Unschuld so überzeugt bist, dann geh und such ihn.«
    »Das mache ich«, sagt Lev. »Was ist mit dem Arschloch da?«
    »Der geht nirgendwohin«, sagt Donovan.
    Amir starrt ihn böse an. »Danke für das Vertrauen.«
    »Such Simon«, fährt Donovan Lev an und verlässt den Raum.
    Simon taucht die Nadel in den Löffel und zieht das Morphium auf die Spritze.
    Den Arm hat er sich bereits abgebunden, jetzt sucht er die Vene und spritzt sich den Stoff.
    Zwei Sekunden, dann Erleichterung.
    Er hatte sich geschworen, es niemals zu tun, das Zeug niemals zu spritzen, nur ab und zu mal ein bisschen was durch die Nase zu ziehen. Aber was schwört man sich nicht alles …
    Die Droge lässt ihn vergessen.
    Wenigstens für ein paar Stunden.
    Das Einzige, was ihn

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