Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
einen Auftrag wie diesen anzunehmen.«
    Willem, im grünen Hemd des Korps Mariniers, lächelt milde. Michel, der das Barett der französischen Marine nationale trägt, nicht.
    »Wie ihr wisst«, fährt Dave fort, »ist die Mission an sich simpel: die für den Absturz von Flug 211 Verantwortlichen aufspüren und töten. Ich habe kein Interesse an Gefangenen oder geheimdienstlichen Informationen, es sei denn, sie nutzen der erfolgreichen Durchführung der Mission. Gewaltwird gezielt eingesetzt – unter gar keinen Umständen darf es Kollateralopfer geben.«
    Rolf, der eine Kappe mit dem Abzeichen der rhodesischen Selous Scouts trägt und sich gerade mit einem dreißig Zentimeter langen Feldmesser die Fingernägel kürzt, schnaubt. Ulrich spielt mit einem seltsamen Ding, das beunruhigenderweise nach C4-Sprengstoff aussieht, und blickt Dave unverwandt in die Augen.
    Dave fährt fort: »Aziz hat in Afghanistan und im Irak Kampferfahrung gesammelt und ausgezeichnete Leute rekrutiert. Er hat die finanziellen Mittel, sich Überwachungs-, Kommunikations- und Waffensysteme auf dem allerneusten Stand der Technik zu beschaffen. Das wird kein Spaziergang.«
    Lev Ben Marom lacht.
    Der große Israeli ist ein Veteran der effektivsten Anti-Terroreinheit der Welt – der Sajeret Matkal, allgemein bekannt als »Die Einheit«. Er lacht Dave offen aus.
    Dave weiß, dass er das nicht auf sich sitzen lassen darf.
    Die Männer würden jeglichen Respekt vor ihm verlieren, und dann wäre alles vorbei.
    »Was ist so lustig?«, fragt er Lev.
    Der Israeli scheint nicht damit gerechnet zu haben, von Dave zur Rede gestellt zu werden, lässt sich aber darauf ein. »Anscheinend hast du einen Hang zur Untertreibung.«
    »Sprich weiter«, sagt Dave.
    Schön, dann klären sie die Sache eben gleich am Anfang.
    »Die Zielpersonen können sich überall aufhalten«, sagt Lev. »Vielleicht verstecken sie sich nicht in einem Dritte-Welt-Sumpfloch, in das wir wild um uns schießend einfallen können, ohne dass jemand etwas dagegen unternimmt. Was ist, wenn sie in Großbritannien sind? Oder in Italien? In der Schweiz? Glaubst du, die lassen uns da einfach wie Cowboyseinreiten, Leute abknallen und anschließend gemütlich ausreisen? Wir werden wegen Mordes angeklagt. Wenn wir den Einsatz überleben, verbringen wir den Rest unseres Lebens im Knast.«
    »München war genau so«, wirft Dave ein.
    »Das war eine von der Regierung angeordnete Operation«, schießt Lev zurück, »und außerdem ein sehr knappes Rennen. Diesmal können wir nicht auf die Hilfe eines Geheimdienstes oder einer Botschaft hoffen. Nein, das ist verrückt.«
    Ulrich hebt höflich die Hand.
    Er ist zwei Meter groß, schlank, hat kurzes braunes Haar und klare braune Augen. Ulrich war Hauptmann des KSK und hatte das Kommando über den fünften Einsatzzug, der sich auf Aufklärung und Scharfschützen beziehungsweise Scharfschützenabwehr und Sprengungen spezialisiert hatte.
    Vor allem Sprengungen – Ulrichs persönliche Philosophie lautet: Nur wenige Probleme lassen sich nicht mit dem gekonnten Einsatz von Sprengstoff lösen.
    Ulrich kennt sich mit Amerikanern aus, da er sein Wüstentraining in Texas und sein Amphibientraining an der Küste von San Diego absolviert hat. Er mag sie – sie sind gutmütig, optimistisch und mutig. Aber auch unkoordiniert und undiszipliniert, und ihr Biergeschmack ist unterirdisch.
    Zwischen Optimismus und Tollkühnheit gibt es einen Unterschied, denkt Ulrich jetzt, und was Collins von uns verlangt, ist tollkühn.
    »Bei allem Respekt, Major Collins«, sagt Ulrich, »das ist ein Himmelfahrtskommando. Ich sehe nicht, wie das funktionieren soll, ohne dass wir alle dabei draufgehen.«
    »Sterben müssen wir sowieso«, schaltet sich Alessandro ein.
    Der ehemalige s ergente maggiore des 1. Battaglione Incursori ist eingefleischter Fatalist. Jeder muss irgendwann einmalsterben – durch eine Kugel, eine Bombe, in einem Auto, nach einer Diagnose –, es geht darum, vorher zu leben.
    »Aber vielleicht noch nicht im nächsten Monat, danke schön«, erwidert Ulrich. Er hat eine Frau und einen Sohn.
    »Wir sind Söldner«, widerspricht Alessandro. »Das gehört zu unserem Job. Wir kämpfen für Geld.«
    Eine halbe Million Dollar ist ein Ferrari mitsamt der Frauen, die man darin spazieren fährt. Wobei Alessandro kein Problem hat, Frauen zu bekommen – der Abfahrtsskiläufer aus den italienischen Alpen könnte locker ebenso gut als Model wie als Elitekämpfer

Weitere Kostenlose Bücher