Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Magentabletten, dann geht er zum Gate und setzt sich. Zehn Minuten später wird sein Flug aufgerufen: »American Flight 576 nach San José, Costa Rica, steht zum Boarding bereit. Passagiere, die beim Einstieg Hilfe benötigen …«
Dave fährt mit dem Bus in die Innenstadt von San José und steigt am Coca-Cola-Busbahnhof auf dem Gelände der alten Abfüllanlage aus. Der Bahnhof befindet sich im Rotlichtviertel, der zona roja, hier wimmelt es nur so vor Taschendieben, die es auf Touristen abgesehen haben, aber keiner nimmt Dave ins Visier. Anscheinend wirkt sein Gang beim Überqueren des Platzes zur Avenida Central irgendwie abschreckend.
Er entscheidet sich für eine Strecke, die ihn über den dicht gedrängten Mercado Central führt, den Zentralmarkt. Und er wandert durch die schmalen Gassen, vorbei an den Ständen mit Obst, Gemüse und Blumen und den sodas , den kleinen Imbisswagen, an denen billige Mahlzeiten verkauft werden.
Niemand folgt ihm.
Wenn doch, ist er sehr gut.
Donovan hatte gesagt: »Komm ohne Begleitung oder lieber gar nicht, Dave. Wenn jemand an dir dranhängt, siehst du uns nie wieder.«
Zur Sicherheit spaziert er jetzt noch einmal an den Fleisch- und Fischständen des Mercado Borbón vorbei, dann biegt er in die Calle 2 und anschließend in den Parque Central ab, dort stellt er sich, wie Donovan verlangt hatte, an den Brunnen, damit sie ihn sehen.
Er wartet die verabredeten zehn Minuten, dann geht er über die Castro Madriz und in südlicher Richtung in die Calle 5, wo er das kleine Hotel findet, das ihm Donovan genannt hat.
Dave sitzt seit ungefähr fünf Minuten an der Bar auf der Terasse, trinkt ein Imperial-Bier, als ein Jeep vorfährt, hinter dem Lenkrad sitzt ein junger Mann mit zerzaustem blondem Haar, Jeanshemd, Boardshorts und ausgelatschten mexikanischen Sandalen. Er hat eine schiefe, gebrochene Nase und ein breites Grinsen im Gesicht.
Zwei Tri-fin-Shortboards ragen hinten aus seinem Jeep.
Der Mann beugt sich zur Seite, öffnet die Tür und sagt: »Major Dave Collins? Spring rein, Dude.«
Dave wirft seine Tasche nach hinten und steigt auf den Beifahrersitz.
»Ich bin Cody«, sagt der junge Mann beim Losfahren. »Cody Perez. Ich sehe nicht aus wie ein Mexikaner, oder?«
Nein, tut er nicht, denkt Dave. Er sieht aus wie ein typischer kalifornischer Surfer und klingt auch genau so.
»Ich hab mehr DNA von meiner Mom mitbekommen als von meinem Dad«, sagt Cody. »Kommt mir ganz gelegen, dadurch kann ich für beide Seiten spielen. Aufgewachsen bin ich in San Diego, aber in TJ geboren.«
»Daher die Surfboards?«, fragt Dave.
»Donovans Idee. Damit wir wie Yankeesurfer auf Safari aussehen. Aber na ja, ich bin unterwegs tatsächlich auch mal kurz aufs Wasser.« Cody dreht sich um und nimmt sich ein Bier vom Rücksitz. »Mit Alkohol am Steuer bist du hier gut beraten. Sonst machen’s die Nerven nicht mit.«
Wahr gesprochen, denkt Dave später.
In der Stadt ist es schon schlimm, in den Vororten wird es aber noch schlimmer, anscheinend betrachtet man die Verkehrsregeln hier bestenfalls als Empfehlungen. Dave presst nervös beide Füße auf den Boden, bis sie endlich den zweispurigen »Highway« erreichen, der sie in die Berge führt. Trotz entgegenkommender Busse überholt Cody andere Autos, wird wiederum von Motorrädern überholt, während sich gleichzeitig Laster aus den unglaublichsten Richtungen und scheinbar aus dem Nichts mitten auf die Fahrbahn schieben. Die Tatsache, dass der asphaltierte Highway von einer einspurigen roten Schotterstraße abgelöst wird, scheint niemanden davon abzubringen, an eine eigene große Zukunft in der Formel Eins zu glauben – wobei die Vorstellung von einer Zukunft in dieser Situation an sich weit hergeholt scheint.
»Costa Rica hat die mit Abstand meisten Verkehrstoten in Lateinamerika!«, erklärt Cody, während er auf einem steil ansteigenden Streckenabschnitt an zwei PKW, einem überladenen Laster und einem vollbesetzten Bus vorbeizieht.
»Toll!«
Aber Dave kennt die Art von Risikobereitschaft, die allen Special-Ops eigen ist.
Wir halten uns für unsterblich.
Cody Perez macht auf cool, aber in seinem Innern brodelt es.
Das ist sein Geheimnis.
Cody war Rettungsspringer beim 24th Special Tactics Squadron der US Air Force und damit sowohl ausgebildeter Sanitäter als auch Special-Op-Fighter. Im Prinzip bedeutete das: Wenn du in der Scheiße gesteckt hast – umzingelt auf einem Berg, auf dem kein Hubschrauber landen kann, bei starkem
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