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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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holte sie am Tor wieder ein. »Wieso kommst du erst nach drei nach Haus? Willst du was trinken? Ich bin jetzt hellwach.«
    Er konnte sich wie ein kleines Kind benehmen, dachte sie. Aus heiterem Himmel meldeten sich plötzlich sein Eifer und seine Neugier. »Ich komm noch auf’n Schlaftrunk mit rein«, sagte sie und folgte ihm zur Haustür, statt zur Seitentür zu gehen, die zu ihrer separaten Souterrainwohnung führte.
    Im Haus herrschte die stille, kalte Atmosphäre von Räumen, die länger als ein paar Stunden nicht betreten worden waren. »Mach die Heizung in meinem Büro an, dort wird es schneller warm als im Wohnzimmer«, bat Tony, während er in die Küche ging. »Wein oder Wodka?«
    Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass er etwas anderes gar nicht erst anzubieten brauchte. »Wodka«, rief sie, während sie sich hinkauerte und sich mit dem Anzünden des Gasofens abmühte. Sie hatte vergessen, wie oft sie ihm schon vorgeschlagen hatte, den Ofen warten zu lassen, damit es kein solcher Kampf wäre, ihn in Gang zu bringen. Aber jetzt war das egal. Innerhalb von zwei Wochen wäre dieses Haus mitsamt ihrer Wohnung verkauft, und er konnte dann die Probleme eines anderen Hauses mit allem Drum und Dran ignorieren. Und zukünftig würde es nicht mehr dazu kommen, dass sich die Probleme in quälenden Ärger verwandelten. Denn sie selbst würde dort wohnen und solch lästigen Unfug nicht tolerieren.
    Das Feuer fing endlich an zu brennen, als Tony mit einer Flasche russischem Wodka und einer Flasche Calvados in der einen Hand zurückkam, in der anderen Hand zwei Gläser, die aussahen, als hätte er sie in den achtziger Jahren als Werbegeschenke bekommen. »Die guten Gläser hab ich schon eingepackt«, erklärte er.
    »Alle beide?« Carol griff nach der Flasche, zuckte aber vor der Kälte zurück. Sie hatte offensichtlich im Gefrierschrank gelegen, und als sie einschenkte, rann der Inhalt in trägen Schlieren an den Innenwänden der Flasche herab.
    »Wieso also kommst du nach drei Uhr morgens nach Haus? Du siehst nicht aus, als wärst du auf einer Party gewesen.«
    »Superintendent Reekie von der Northern Division möchte, dass ich den Dienst hier mit Glanz und Gloria beende«, bemerkte sie trocken.
    »Es geht demnach um einen Fall, der sein Budget sprengt?« Tony hob sein Glas, als wolle er einen zynischen Trinkspruch ausbringen. »Man könnte meinen, dass es aus einem ganz anderen Topf käme, nicht nur aus einer anderen Abteilung der gleichen Organisation. Es ist erstaunlich, wie vielen Fällen seit dem neuen Sparkurs des Polizeipräsidenten das Etikett ›Sondereinsatzteam‹ aufgedrückt wurde.«
    »Und das erst recht, seit bekannt wurde, dass ich weggehe«, seufzte Carol. »Aber dieser Fall … In weniger knickerigen Zeiten hätten wir uns mit Northern darum gestritten.«
    »Schlimm?«
    Carol schluckte einen Mundvoll Wodka runter und schenkte sich nach. »Von der schlimmsten Sorte. Deine Spezialität. Jemand hat eine Prostituierte an ein Kreuz genagelt. Und das Kreuz umgedreht. Dann hat er ihr die Kehle durchgeschnitten.« Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. »Die Kollegen von Northern meinen, er hätte vorher schon getötet. Nicht genauso natürlich. In dem Fall hätten wir bereits davon gehört. Aber dort wurden in letzter Zeit bereits zwei Prostituierte umgebracht. Andere Vorgehensweise. Die eine erdrosselt, die andere ertränkt.«
    Tony beugte sich auf seinem Sessel vor, die Ellbogen auf den Knien und die Augen keineswegs mehr schläfrig. »Ich bekam vorhin einen Anruf von Penny Burgess. Ich glaube, es hatte damit zu tun.«
    »Wirklich? Was hatte sie denn zu sagen?«
    »Ich weiß nicht, ich hab nicht zugehört. Aber sie schien der Meinung zu sein, dass ich damit befasst sein sollte. Dass es um eine Mordserie geht.«
    »Sie könnte recht haben. Alle drei Opfer haben eine Art Tätowierung auf der Innenseite des Handgelenks: das Wort ›MEINE‹.«
    »Man sah keine Verbindung zwischen den beiden ersten?« Tony klang ungläubig.
    »Um fair zu sein, sie bekamen erst gestern die Gelegenheit, diese Verbindung herzustellen. Das Opfer, das ertränkt wurde, war in sehr schlechtem Zustand. Grisha hat die Leiche noch nicht lange, und es dauerte eine Weile, bis sie sicher waren, wonach sie eigentlich suchten.« Carol zuckte mit den Schultern und fuhr sich durch ihr wirres blondes Haar. »Es war schwierig, an der ersten Leiche etwas von Bedeutung festzustellen, sie hatte weitere Tätowierungen an Armen und

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