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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ich«, teilte ihr Reekie mit. »Ich fand, es wäre am besten, Sie so bald wie möglich zu informieren. Solange der Tatort noch frisch ist.«
    »Damit haben Sie durchaus recht«, sagte Carol. »Aber meine Gruppe wird aufgelöst, verstehen Sie.«
    »Ich habe gehört, dass Sie Ihre Kündigung einreichen«, sagte Reekie. »Aber Sie sind doch noch aktiv, oder? Ich dachte, Sie würden sich vielleicht gern auf einen letzten speziellen Fall stürzen.«
    Sie hätte es nicht so formuliert, aber sie wusste, was er meinte. Alle kannten den Unterschied zwischen den alltäglichen Fällen wie häusliche Gewalt und brutale Streitereien, die den Großteil der Todesfälle ausmachten, und den Delikten, bei denen sich erkennen ließ, dass eine abartige Psyche am Werk gewesen war. Fälle mit rätselhaften Elementen waren relativ selten. Deshalb fand sie, dass »speziell« kein besonders ungewöhnliches Wort war, um damit einen Mord zu umschreiben. »Geben Sie mir die Lagebeschreibung durch, ich werde, so bald ich kann, dort sein«, antwortete sie, legte die nicht durchgesehenen Papiere zurück und stieß mit dem Fuß die Schublade zu.
    Ihr Blick fiel auf die leere Tasse. Genau genommen hatte sie zu viel Alkohol intus. Aber sie fühlte sich vollkommen in der Lage zu fahren, ein Spruch, den sie im Lauf ihres Berufslebens von Dutzenden widerspenstiger Betrunkener in Gewahrsamszellen gehört hatte. Andererseits zögerte sie, sich alleine zum Tatort aufzumachen. Wenn sie den Fall übernehmen würden, dann gab es Dinge, die gleich vor Ort in die Wege zu leiten waren, und dafür sollte sie nicht ihre Zeit und ihre Fähigkeiten verwenden müssen. In Gedanken ging sie ihre Einsatzgruppe durch. Einer ihrer zwei Sergeants, Chris Devine, hatte in letzter Zeit zu viele Stunden bis spätabends abgeleistet, um einen Fall für einen wichtigen Prozess vorzubereiten. Und Kevin Matthews feierte heute seinen Hochzeitstag. Reekie hatte nicht allzu besorgt geklungen, so dass es sich wahrscheinlich nicht lohnte, Kevin die seltene Gelegenheit zu verderben, mal einen Abend auszugehen. Damit blieben ihre Constables. Stacey Chen kam immer besser mit Technik als mit Menschen zurecht. Hinsichtlich Sam Evans war Carol nach wie vor der Meinung, dass ihm seine eigene Karriere wichtiger war als die Opfer, für die sie alle da sein sollten; damit blieb nur noch Paula McIntyre übrig. Während sie Paulas Nummer wählte, machte sich Carol klar, dass es sowieso immer auf Paula hinausgelaufen wäre.

    Es war immer das Gleiche, dachte Paula. Fuhr man zu einem Tatort, wurde man von einem brennenden Adrenalinschub erfasst. Jedes Mal spürte sie den Nervenkitzel.
    »Tut mir leid, dass ich dich rufen musste«, sagte Carol.
    Das meinte sie zwar nicht wirklich ernst, dachte Paula, aber Carol hatte es stets geschafft, ihr Team zu überzeugen, dass ihr Engagement nicht als selbstverständlich angesehen wurde. Paulas Blick war konzentriert auf die Straße geheftet. Sie fuhr etwas zu schnell, doch das hatte sie im Griff. Niemand wollte als einer jener Polizisten im Gedächtnis bleiben, der vor lauter Hast, zu den Toten zu kommen, einen unschuldigen Verkehrsteilnehmer niedergemäht hatte. »Kein Problem, Chefin«, sagte sie. »Elinor hat Bereitschaftsdienst, wir hatten es uns nur daheim gemütlich gemacht. Haben Scrabble gespielt und was zu essen bestellt.« Carol war nicht die Einzige, die alle bei guter Laune halten wollte.
    »Trotzdem …«
    Paula grinste. »Ich war sowieso dabei zu verlieren. Was gibt es?«
    »Reekie sprach von einem ungeschützten Apparat aus, deshalb ging er nicht ins Detail. Ich weiß nur, dass er denkt, es sei ein Fall für uns.«
    »Das wird nicht mehr viel länger so sein«, warf Paula ein und war sich der Verbitterung und des Bedauerns in ihrer Stimme bewusst.
    »Es wäre so gelaufen, egal ob ich geblieben wäre oder nicht.«
    Paula war erschrocken. »Ich habe Ihnen damit keinen Vorwurf machen wollen, Chefin. Ich weiß, wer daran schuld ist.« Sie warf Carol einen kurzen Blick zu. »Ich wollte fragen …«
    »Natürlich lege ich ein gutes Wort für dich ein.«
    »Eigentlich hatte ich mir etwas mehr erhofft.« Paula holte tief Luft. Schon seit Tagen hatte sie versucht, den richtigen Moment zu finden, aber es war immer etwas dazwischengekommen. Wenn sie jetzt, da sie mit Carol allein war, die Gelegenheit nicht nutzte, wer weiß, wann es wieder eine geben würde? »Wenn ich mich bewerben würde, gäbe es da in West Mercia eine Stelle für mich?«
    Carol hatte

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