Vergessene Stimmen
dass das Opfer mit dem Abschleppwagen dreißig Meter westlich von dieser Stelle auf dem Seitenstreifen angehalten hat«, sagte Allmand. »Wahrscheinlich, weil das defekte Fahrzeug bereits auf dem Seitenstreifen stand. Danach stieß der Abschleppwagen auf dem Seitenstreifen bis zu dieser Stelle hier zurück. Der Fahrer nahm den Gang heraus und zog die Handbremse, bevor er ausstieg. Falls er es eilig hatte – worauf verschiedene begleitende Informationen hindeuten –, könnte er sofort nach hier hinten gegangen sein und das Abschleppgeschirr heruntergelassen haben. Und genau da wurde er angefahren.«
»Das defekte Auto war offensichtlich gar nicht defekt. Sein Fahrer trat das Gaspedal voll durch, worauf es nach vorn schoss und den Fahrer des Abschleppwagens gegen dessen Heck und die Abschleppvorrichtung schleuderte. Vermutlich wurde er gerade in dem Moment erfasst, als er sich bückte, um den Haken loszumachen und das andere Auto anzuhängen. Das würde auch seine Kopfverletzungen erklären. Er flog mit dem Kopf voran gegen die Abschleppvorrichtung. Auf dem Kranarm ist Blut.«
Zur Verdeutlichung ließ Allmand das rote Auge seines Laserpointers über den Kranarm des Abschleppwagens wandern.
»Dann stieß das Tatfahrzeug zurück«, fuhr er fort. »Und bei dieser Gelegenheit entstanden die gestreiften Spuren auf dem Asphalt, die Sie hier sehen. Dann fuhr es noch einmal nach vorn. Das Opfer hatte wahrscheinlich schon beim ersten Zusammenstoß tödliche Verletzungen erlitten. Aber es war noch nicht tot. Vermutlich fiel es nach dem ersten Aufprall zu Boden und kroch mit letzter Kraft unter den Abschleppwagen, um dem zweiten Zusammenstoß zu entgehen. Wie dem auch sei, das Tatfahrzeug krachte ein zweites Mal gegen den Abschleppwagen. Und natürlich erlag das Opfer seinen Verletzungen, als es unter dem Abschleppwagen lag.«
An dieser Stelle machte Allmand eine Pause, damit Fragen gestellt werden konnten, aber die einzige Reaktion war düsteres Schweigen. Bosch fiel nichts ein, was er fragen könnte. Nachdem keine Einwände vorgebracht wurden, endete Allmand mit seinen Ausführungen, indem er auf zwei Reifenspuren im Kies und auf dem Asphalt zeigte.
»Der Radstand des Tatfahrzeugs ist nicht sehr groß«, erklärte er dazu. »Das grenzt die Zahl der in Frage kommenden Fahrzeuge deutlich ein. Höchstwahrscheinlich ist es irgendein kleines ausländisches Fabrikat. Ich habe alles vermessen, und wenn ich in meinen Herstellerkatalogen nachgesehen habe, erhalten Sie von mir eine Liste von Pkws, von denen diese Spuren stammen könnten. Ich gebe Ihnen umgehend Bescheid.«
Als niemand etwas sagte, umkreiste Allmand mit dem Laserpointer einen kleinen Ölfleck auf dem Asphalt.
»Außerdem verlor das Tatfahrzeug Öl. Nicht viel, aber wenn es für den Ankläger wichtig werden sollte, angeben zu können, wie lang der Mörder hier stand und auf das Opfer wartete, könnten wir das anhand dieses Flecks berechnen, falls das Fahrzeug gefunden wird. Wir können dann grob feststellen, wie lang es gedauert hat, diesen kleinen Fleck hier hervorzurufen.«
Pratt nickte. »Gut, zu wissen.«
Pratt dankte Allmand und bat den stellvertretenden Gerichtsmediziner, Ravi Patel, über die Ergebnisse einer ersten Untersuchung der Leiche zu berichten. Patel begann mit der Aufzählung der zahlreichen Knochenbrüche und Verletzungen, die bereits bei einer äußerlichen Untersuchung der Leiche zu erkennen gewesen waren. Er sagte, bei dem Zusammenstoß sei wahrscheinlich Mackeys Schädel gebrochen, sein linkes Jochbein zertrümmert und sein Kiefer ausgerenkt worden. Außerdem waren zusammen mit seinem linken Brustkorb seine Hüften zermalmt worden. Auch sein linker Arm und sein linker Oberschenkel waren gebrochen.
»Aller Wahrscheinlichkeit nach kam es bereits beim ersten Zusammenstoß zu diesen Verletzungen«, fuhr Patel fort. »Zu diesem Zeitpunkt stand das Opfer wahrscheinlich, und es wurde von rechts hinten angefahren.«
»Kann er denn mit diesen schweren Verletzungen überhaupt noch in der Lage gewesen sein, unter den Abschleppwagen zu kriechen?«, fragte Rick Jackson.
»Nicht auszuschließen«, antwortete Patel. »Der Ü berlebenstrieb hat Menschen schon zu den erstaunlichsten Dingen befähigt. Mit Sicherheit kann ich das zwar erst sagen, wenn ich die Leiche geöffnet habe, aber in Fällen wie diesem stellen wir oft fest, dass durch die massive Quetschung die Lungen perforiert werden. Sie füllen sich dann mit Blut. Das dauert eine Weile. Er
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