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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Wahrscheinlich bist du immer noch der Lehrer.«
    »Du bist nur ein bisschen eingerostet, weil du oben im Sechsten so lange hinter einem dieser großen Schreibtische gesessen hast.«
    »Nein, ich meine das völlig ernst.«
    »Ich auch. Gewissermaßen jedenfalls. Ich glaube, ich habe so lange hierauf gewartet, dass ich richtig aufgedreht bin.«
    »Erklär mir einfach, wie du die Sache siehst, Harry. Du brauchst dir keine Ausreden für deinen Riecher auszudenken.«
    »Ich sehe ja noch gar nichts, und genau das ist Teil des Problems. Roland Mackeys Name steht nirgendwo in dieser Akte, und damit hätten wir gleich das erste Problem. Wir wissen zwar, dass er damals in der näheren Umgebung war, aber wir haben nichts, was ihn mit dem Opfer in Verbindung bringt.«
    »Was redest du jetzt wieder? Wir haben doch die Waffe mit seiner DNS dran.«
    »Das Blut bringt ihn mit der Tatwaffe in Verbindung, nicht mit dem Mädchen. Du hast doch die Mordakte gelesen. Wir können nicht beweisen, dass seine DNS zum Zeitpunkt des Mordes auf die Waffe kam. Dieser eine Befund könnte unsere ganze Beweisführung zum Einsturz bringen. Das ist ein Riesenloch, Kiz. So groß, dass alle Geschworenen gleichzeitig hineinpassen würden. Mackey braucht beim Prozess lediglich in den Zeugenstand zu treten und zu sagen: ›Ja, ich habe diese Waffe bei einem Einbruch in der Winnetka gestohlen. Dann ging ich damit in die Hügel hinauf und feuerte sie ein paarmal ab, und weil ich es wie Mel Gibson machte, hat mich die blöde Scheißknarre gebissen und einen Hautfetzen von meiner Hand gerissen. Mel Gibson ist das nie passiert. Mir hat das jedenfalls so gestunken, dass ich die blöde Scheißknarre hinter den nächsten Busch geworfen habe und Heftpflaster holen gegangen bin.‹ Der SID-Befund – unser eigener verdammter Befund – spricht zu seinen Gunsten, Fall erledigt.«
    Rider lächelte kein einziges Mal, während Bosch das alles anführte. Er merkte, dass sie verstand, was er meinte.
    »Mehr braucht er nicht zu sagen, Kiz, und es bestehen tatsächlich berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft, weil wir sonst keinerlei Beweise haben. Wir haben am Tatort keine Fingerabdrücke, wir haben keine Haare, keine Fasern, kein gar nichts. Was wir dagegen haben, ist sein Täterprofil. Und wenn du da einen Blick hineingeworfen hättest, bevor wir diesen Fall übernommen haben und das mit der DNS wussten, hättest du diesen Kerl doch nie für einen Mörder gehalten. So jemand tötet allerhöchstens im Affekt oder in der Hitze eines Kampfes. Aber nicht so etwas, eine so sorgfältig geplante Tat, und schon gar nicht mit achtzehn Jahren.«
    Rider schüttelte fast wehmütig den Kopf.
    »Vor ein paar Stunden wurde uns das als Begrüßungsgeschenk präsentiert. Angeblich ein klarer Fall …«
    »Die DNS hat alle zu voreiligen Schlüssen verleitet. Das ist das Verrückte mit den Menschen. Sie denken, dank dieser ganzen neuen Techniken wäre alles ein Kinderspiel. Sie sehen zu viel fern.«
    »Willst du damit auf deine komische Art zum Ausdruck bringen, du glaubst nicht, dass er es war?«
    »Ich weiß noch nicht, was ich glauben soll.«
    »Deshalb lassen wir ihn also observieren, hören ihn ab, jagen ihm einen kleinen Schrecken ein und warten ab, wen er anruft und wie er reagiert.«
    Bosch nickte. »Genau das meine ich.«
    »Aber erst müssen wir das mit Abel klären.«
    »Wir halten uns an die Vorschriften. So, wie mir der Chief heute eingeschärft hat.«
    »Heiliger Bimbam – der neue Harry Bosch.«
    »Er sitzt direkt vor dir.«
    »Bevor wir eine Abhörgenehmigung beantragen, müssen wir uns noch vergewissern, dass Roland Mackey keinem der Beteiligten bekannt war. Wenn das der Fall ist, würde ich vorschlagen, dass wir wegen einer Abhörgenehmigung zu Pratt gehen.«
    »Nichts dagegen einzuwenden. Was ist dir beim Lesen sonst noch aufgefallen?«
    Bevor er selbst auf den unterschwelligen rassistischen Hintergrund zu sprechen kam, wollte er sehen, ob sie ihn bemerkt hatte.
    »Nur, was da stand«, antwortete Rider. »Oder habe ich etwas übersehen?«
    »Ich weiß nicht – jedenfalls nichts Offensichtliches.«
    »Was also?«
    »Na ja, dass das Mädchen gemischtrassig war. Selbst achtundachtzig dürfte es Leute gegeben haben, denen das nicht gefiel. Wenn du dann noch den Einbruch dazunimmst, von dem die Tatwaffe stammt. Das Opfer war Jude. Er sagte, er wäre belästigt worden. Deshalb hätte er sich die Waffe zugelegt.«
    Rider nickte nachdenklich, während sie einen Mund voll

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