Vergessene Stimmen
Kontrollausschuss, und schon würden alle möglichen Gerüchte über mich in Umlauf geraten. Sie sagten, nur ein paar Fragen an den richtigen Stellen, und in kürzester Zeit würden die Leute denken, dass ich es gewesen war.«
Bosch unterbrach ihn nicht. Er spürte, wie seine eigene Wut ihm die Kehle zuschnürte.
»Sie sagten, es würde nicht einfach werden, mein Restaurant zu behalten, wenn alle dächten, dass ich … dass ich das meiner Tochter angetan hätte …«
Jetzt liefen mehr Tränen über sein dunkles Gesicht. Er tat nichts, um sie aufzuhalten.
»Und darum tat ich, was sie verlangten. Ich hörte auf und ließ die Sache auf sich beruhen. Ich hörte auf, Wirbel zu machen. Ich versuchte, mir einzureden, dass es sowieso keine Rolle mehr spielen würde; es brächte uns Becky nicht zurück. Deshalb rief ich Detective Green nie wieder an … und sie haben den Fall nicht aufgeklärt. Nach einer Weile begann ich zu trinken, um zu vergessen, was ich verloren hatte und was ich getan hatte: dass ich und mein Stolz und mein Ruf und meine Firma mir wichtiger gewesen waren als meine Tochter. Und ziemlich schnell, ehe ich mich’s versah, stand ich an dem schwarzen Loch, von dem ich Ihnen erzählt habe. Ich fiel hinein und bin immer noch dabei, herauszuklettern.«
Nach einer Weile drehte er sich herum und sah Bosch an.
»Wie finden Sie diese Geschichte, Detective?«
»Es tut mir Leid, Mr. Lost. Es tut mir aufrichtig Leid, dass das passiert ist. Alles.«
»Ist das die Geschichte, die Sie hören wollten, Detective?«
»Ich wollte nur die Wahrheit erfahren. Ob Sie es glauben oder nicht, sie wird mir helfen. Sie wird mir helfen, für Becky zu sprechen. Können Sie mir die zwei Männer beschreiben, die damals zu Ihnen kamen?«
Lost schüttelte den Kopf.
»Das ist schon lange her. Wahrscheinlich würde ich sie nicht mal wiedererkennen, wenn sie direkt vor mir stünden. Ich weiß nur noch, dass beide Weiße waren. Und einen von ihnen nannte ich in Gedanken Mr. Clean, wegen seines kahl rasierten Schädels und weil er wie dieser Kerl auf der Putzmittelflasche mit verschränkten Armen dastand.«
Bosch spürte, wie sich seine Wut in die Muskeln seiner Schultern vorarbeitete. Er wusste, wer Mr. Clean war.
»Wie viel von alldem hat Ihre Frau mitbekommen?«, fragte er in ruhigem Ton.
Lost schüttelte den Kopf.
»Muriel wusste nichts von alledem. Ich habe ihr nichts davon erzählt. Ich habe das allein auf meine Kappe genommen.«
Lost wischte sich die Tränen von den Wangen ab. Er schien etwas Erleichterung gefunden zu haben, nachdem er die Geschichte endlich erzählt hatte.
Bosch griff in seine Gesäßtasche und zog das alte Foto von Roland Mackey heraus. Er legte es vor Lost auf den Tisch.
»Erkennen Sie diesen Jungen?«
Lost sah das Foto lange an, bevor er den Kopf schüttelte.
»Sollte ich das? Wer ist das?«
»Er heißt Roland Mackey. Er war 1988 ein paar Jahre älter als Ihre Tochter. Er ging zwar nicht in Hillside zur Schule, aber er lebte in Chatsworth.«
Bosch wartete auf eine Reaktion, bekam aber keine. Lost starrte nur auf das Foto auf dem Tisch.
»Dieses Foto stammt aus einer Verbrecherkartei. Was hat er getan?«
»Ein Auto gestohlen. Aber wir wissen auch, dass er einer Gruppe rechtsextremer Weißer angehörte. Im Gefängnis und auch draußen. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Nein. Sollte er das?«
»Das weiß ich nicht. Ich frage nur. Können Sie sich erinnern, ob Ihre Tochter jemals seinen Namen erwähnt hat oder vielleicht einen gewissen Ro?«
Lost schüttelte den Kopf.
»Wir versuchen gerade herauszufinden, ob sich die Wege der beiden irgendwo gekreuzt haben. Das Valley ist sehr groß. Sie könnten …«
»In welche Schule ging er?«
»Er war auf der Chatsworth High, hat sie aber nicht beendet. Er hatte einen GED.«
»Rebecca ging in dem Sommer vor ihrem Tod immer zum theoretischen Fahrunterricht in die Chatsworth High.«
»Das wäre also 1987 gewesen?«
Lost nickte.
»Ich werde das nachprüfen.«
Aber Bosch glaubte nicht, dass das eine gute Spur war. Mackey war vor dem Sommer 1987 von der Schule abgegangen und hatte erst nach 1988 noch einmal die Schulbank gedrückt, um seinen GED zu machen. Trotzdem konnte es nicht schaden, dem nachzugehen.
»Etwas anderes. Ging sie gern ins Kino und in die Mall?«
Lost zuckte mit den Schultern.
»Sie war ein sechzehnjähriges Mädchen. Natürlich ging sie gern ins Kino. Die meisten ihrer Freundinnen hatten ein Auto. Sobald sie sechzehn wurden und
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