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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Mann etwas Wichtiges aufzugeben hatte.
    »Wir beginnen mit der Tatsache, dass Sie Ihre Tochter geliebt haben, richtig?«
    »Natürlich.«
    »Also, Mr. Lost, was ihr passiert ist, hätte nie passieren dürfen. Daran kann ich nichts mehr ändern. Aber ich kann versuchen, für sie zu sprechen. Deshalb bin ich hier. Was die Polizisten vor siebzehn Jahren getan haben, ist nicht das, was ich tun werde. Die meisten von ihnen sind ohnehin schon tot. Wenn Sie Ihre Tochter immer noch lieben, wenn Sie ihr Andenken hochhalten wollen, dann erzählen Sie mir jetzt die ganze Geschichte. So werden Sie mir helfen, für sie zu sprechen. Es ist Ihre einzige Möglichkeit, wieder gutzumachen, was Sie damals getan haben.«
    Etwa in der Mitte von Boschs Plädoyer begann Lost zu nicken. Bosch hatte ihn, er würde sich ihm öffnen. Es ging um Erlösung. Dabei spielte es keine Rolle, wie viele Jahre vergangen waren. Erlösung war immer das Nonplusultra.
    Über Losts linke Wange, auf der dunklen Haut fast nicht zu erkennen, lief eine einzige Träne. Ein Mann in schmutziger weißer Küchenkleidung kam mit einem Klemmbrett in den Aufenthaltsraum, aber Bosch winkte ihn hastig wieder nach draußen. Bosch wartete, und endlich begann Lost zu sprechen.
    »Ich habe mich über sie gestellt und mich am Ende doch nur verloren.«
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    Lost legte die Hand auf seinen Mund, als versuchte er, die Geheimnisse daran zu hindern, herausgelassen zu werden. Schließlich ließ er die Hand sinken und fuhr fort: »Eines Tages las ich in der Zeitung, dass meine Tochter mit einer Pistole erschossen worden war, die von einem Einbruch stammte. Das hatten mir Green und Garcia nicht erzählt. Deshalb sprach ich Detective Green darauf an, und er erzählte mir, der Mann hätte die Pistole gekauft, weil er Angst hatte. Er war Jude und war bedroht worden. Ich dachte …«
    An dieser Stelle verstummte er, und Bosch musste ihm auf die Sprünge helfen.
    »Sie dachten, Rebecca wäre vielleicht Opfer dieses Verbrechens geworden, weil sie zwei Rassen angehörte? Weil ihr Vater schwarz war?«
    Lost nickte.
    »Ich dachte, ja, denn hin und wieder fielen schon Bemerkungen in dieser Richtung. Nicht alle sahen die Schönheit in ihr. Nicht so, wie wir das taten. Ich hätte lieber in der Westside gelebt, aber Muriel – sie war von dort oben. Das war ihre Heimat.«
    »Was hat Green Ihnen erzählt?«
    »Er sagte, nein, da wäre nichts dran. Sie wären dem nachgegangen, aber diese Möglichkeit könnten sie ausschließen. Es war nicht … Irgendwie hat mich das nicht überzeugt. Mir schien es so, als würden sie diesen Punkt einfach ignorieren. Ich rief immer wieder an und stellte Fragen. Ich ließ nicht locker. Schließlich wandte ich mich an einen Gast, den ich aus dem Restaurant kannte und der im Polizei-Kontrollausschuss saß. Ich erzählte ihm davon, und er versprach mir, der Sache nachzugehen.«
    Lost nickte, mehr zu sich selbst als zu Bosch. Er bestärkte seinen Glauben in die Schritte, die er als ein Vater, der Gerechtigkeit für seine Tochter suchte, unternommen hatte.
    »Und was passierte dann?«, hakte Bosch nach.
    »Dann bekam ich Besuch, von zwei Polizisten.«
    »Aber nicht Green und Garcia?«
    »Nein, nicht die beiden. Zwei andere Polizisten. Sie kamen ins Restaurant.«
    »Wie hießen die beiden?«
    Lost schüttelte den Kopf.
    »Sie haben sich mir nicht vorgestellt. Sie haben mir nur ihre Dienstmarken gezeigt. Es waren Detectives, glaube ich. Sie sagten, dass nichts dran wäre an dieser Sache, mit der ich Green auf die Nerven ging. Sie sagten, ich sollte endlich Ruhe geben und aufhören, Wirbel zu machen. Genauso haben sie es genannt, Wirbel machen. Als ob es dabei um mich ginge und nicht um meine Tochter.«
    Er schüttelte angespannt den Kopf. Auch nach all den Jahren hatte die Bitterkeit nicht nachgelassen. Bosch stellte eine nahe liegende Frage. Nahe liegend deshalb, weil er nur zu gut wusste, wie es beim LAPD damals zugegangen war.
    »Haben sie Ihnen gedroht?«
    Lost schnaubte.
    »Ja, sie haben mir gedroht«, sagte er ruhig. »Sie sagten, sie wüssten, dass meine Tochter schwanger war, aber sie könnten die Klinik nicht finden, in der sie es wegmachen ließ. Deshalb gäbe es auch kein Gewebe, mit dessen Hilfe sie den Vater identifizieren könnten. Es gab keine Möglichkeit, festzustellen, wer es war oder wer nicht. Sie sagten, sie bräuchten nur ein paar Fragen zu stellen, was mich und meine Tochter anging, zum Beispiel meinem Gast, dem aus dem

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