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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Komplexität des Lebens nichts als eine Anhäufung von Zufällen
– nichts als ein Haufen miteinander verknüpfter genetischer Unfälle. Aber wenn
man sich die Tierwelt genau ansieht, zeigt es sich, daß viele Elemente sich
gegenseitig entwickelt haben müssen. Fledermäuse zum Beispiel, die haben
Echo-Ortung – sie orientieren sich mit Hilfe von Tönen. Fledermäuse brauchen
einen speziellen Apparat, um diese Töne zu produzieren, sie brauchen spezielle
Ohren, um das Echo zu hören, sie brauchen ein spezielles Gehirn, um diese Töne
zu interpretieren, und sie brauchen einen speziellen Körper, um sich schnell
herabstürzen und Insekten fangen zu können. Wenn all das sich nicht gleichzeitig
entwickelt, gibt es keinen Vorteil. Sich vorzustellen, daß dies alles durch
Zufall passiert, ist so, als würde man sich vorstellen, daß ein Wirbelsturm
über einen Schrottplatz hinwegfegt und die Einzelteile zu einer funktionierenden
Boeing 747 zusammensetzt. Es ist sehr schwer zu glauben.«
    »Okay«, sagte
Thorne. »Einverstanden.«
    »Nächstes
Problem. Die Evolution verhält sich nicht immer, wie eine blinde Kraft es tun
sollte. Gewisse Umweltnischen werden nicht gefüllt. Gewisse Pflanzen werden
nicht gefressen. Und gewisse Tiere entwickeln sich nicht sehr. Haie haben sich
seit 160 Millionen Jahren nicht verändert. Opossums haben sich seit dem
Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht verändert. Die Umwelt
dieser Tiere hat sich dramatisch verändert, aber die Tiere sind praktisch
dieselben geblieben. Nicht ganz gleich, aber fast. In anderen Worten, sie haben
auf ihre Umwelt nicht reagiert.«
    »Vielleicht sind
sie noch immer gut angepaßt«, sagte Arby.
    »Vielleicht. Vielleicht
geht da aber auch etwas anderes vor sich, etwas, das wir nicht verstehen.«
    »Was zum
Beispiel?«
    »Zum Beispiel,
daß andere Regeln das Resultat bestimmen.«
    »Wollen Sie
damit sagen, daß die Evolution zielgerichtet ist?« fragte Thorne.
    »Nein«, antwortete
Malcolm. »Das ist Kreationismus, und der ist falsch. Ganz einfach falsch. Ich
sage nur, daß die von Genen gesteuerte natürliche Zuchtwahl vermutlich nicht
die ganze Wahrheit ist. Es ist zu einfach. Da sind noch andere Kräfte am Werk.
Das Hämoglobinmolekül ist ein Protein, das wie ein Sandwich um ein zentrales,
den Sauerstoff bindendes Eisen-Atom gefaltet ist. Hämoglobin dehnt sich aus und
zieht sich zusammen, wenn es Sauerstoff aufnimmt oder abgibt – wie eine winzige
molekulare Lunge. Nun kennen wir zwar die Sequenz der Aminosäuren, aus denen
das Hämoglobin besteht. Aber wir wissen nicht, wie man es faltet. Zum Glück brauchen
wir das nicht zu wissen, weil das Molekül, wenn man es aufbaut, sich von selbst
faltet. Es organisiert sich selbst. Und es zeigt sich immer und immer wieder,
daß alles Lebendige eine selbstorganisierende Qualität zu haben scheint.
Proteine falten sich. Enzyme zeigen untereinander Wechselwirkungen. Zellen
fügen sich zu Organen und Organe zu einem kohärenten Individuum zusammen.
Individuen organisieren sich zu einer Population. Und Populationen organisieren
sich zu einer kohärenten Biosphäre. Die Komplexitätstheorie vermittelt uns inzwischen
einen Eindruck davon, wie es zu dieser Selbstorganisation kommen kann und was
sie bedeutet. Und dies wird große Veränderungen unserer Betrachtungsweise der
Evolution zur Folge haben.«
    »Aber«, sagte
Arby, »am Ende wird doch die Evolution noch immer das Ergebnis der Einwirkung
der Umwelt auf die Gene sein.«
    »Ich glaube
nicht, daß das reicht, Arb«, erwiderte Malcolm. »Ich glaube, da spielt noch
mehr mit – ich glaube, da muß einfach mehr sein, um auch nur zu erklären, wie
unsere eigene Spezies entstanden ist.«
     
    »Vor ungefähr drei Millionen Jahren«,
sagte Malcolm, »kamen einige afrikanische Affen, die bis dahin in den Bäumen
gelebt hatten, auf den Erdboden herunter. Ihre Gehirne waren klein, und sie
waren nicht besonders gescheit. Sie hatten weder Klauen noch scharfe Zähne als
Waffen. Sie waren auch nicht besonders stark oder schnell. Für einen Leoparden
waren sie auf jeden Fall kein ebenbürtiger Gegner. Aber weil sie klein waren,
fingen sie an, aufrecht auf den Hinterläufen zu gehen, damit sie über das hohe
afrikanische Gras sehen konnten. So fing es an. Mit ein paar gewöhnlichen
Affen, die über das Gras schauten.
    Im Lauf der Zeit
standen die Affen immer länger aufrecht. So hatte sie die Hände frei und
konnten mit ihnen Dinge tun. Wie alle Affen waren sie

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