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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Werkzeugbenutzer. Schimpansen
zum Beispiel benutzen Zweige, um nach Termiten zu bohren. Solche Sachen. Und
mit der Zeit entwickelten unsere äffischen Vorfahren immer kompliziertere Werkzeuge.
Das stimulierte ihre Gehirne zum Wachstum, sowohl in Größe wie in Komplexität.
In evolutionären Dimensionen sind unsere Gehirne förmlich explodiert. In
ungefähr einer Million Jahren hat sich die Größe unseres Gehirns verdoppelt.
Und das hat uns Probleme verursacht.«
    »Zum Beispiel.«
    »Die Geburt zum
Beispiel. Ein großes Gehirn paßt nicht durch den Geburtskanal – was bedeutet,
daß Mutter und Kind bei der Geburt sterben. Das ist nicht gut. Und wie reagiert
die Evolution darauf? Sie läßt die Menschenbabys in einem sehr frühen
Entwicklungsstadium auf die Welt kommen, wenn das Gehirn noch so klein ist, daß
es durchs Becken paßt. Das ist die Beuteltier-Lösung – der Großteil des Wachstums
passiert außerhalb des Körpers der Mutter. Das Gehirn eines Menschenkinds verdoppelt
sich im ersten Lebensjahr. Das ist eine gute Lösung für das Problem der Geburt,
aber es schafft andere Probleme. Es bedeutet, daß Menschenbabys noch lange nach
der Geburt hilflos sind. Die Jungen von vielen Säugetieren können schon Minuten
nach der Geburt laufen. Andere laufen nach ein paar Tagen oder Wochen. Aber
Menschenbabys können ein ganzes Jahr lang nicht laufen. Und selbst ernähren
können sie sich noch viel länger nicht. Der Preis für das große Gehirn war
also, daß unsere Vorfahren neue, stabile soziale Organisationsformen entwickeln
mußten, die eine langfristige, viele Jahre dauernde Kinderfürsorge ermöglichten.
Diese großhirnigen, total hilflosen Kinder haben die Gesellschaft verändert.
Aber das ist nicht die wichtigste Konsequenz.«
    »Nein?«
    »Nein. In
unreifem Zustand geboren zu werden, bedeutet für die Menschenkinder, daß sie
ungeformte Gehirne haben. Sie kommen nicht mit einer Menge eingebautem, instinktivem
Verhalten auf die Welt. Instinktiv kann ein Neugeborenes saugen und greifen,
aber das ist schon so ziemlich alles. Komplexes menschliches Verhalten ist
alles andere als instinktiv. Menschliche Gesellschaften mußten also Erziehungsstrategien
entwickeln, um die Gehirne ihrer Kinder zu trainieren. Um ihnen beizubringen,
wie man sich verhält. Jede menschliche Gesellschaft verwendet unglaublich viel
Zeit und Energie darauf, ihren Kindern das richtige Verhalten beizubringen.
Sieht man sich eine einfachere Gesellschaft an, in einem Regenwald irgendwo auf
dieser Erde, stellt man fest, daß jedes Kind in ein Netzwerk von Erwachsenen
hineingeboren wird, die für die Erziehung des Kindes verantwortlich sind. Nicht
nur die Eltern, auch Tanten und Onkel und Großeltern und Stammesälteste. Einige
zeigen dem Kind, wie man jagt oder Nahrung sammelt oder webt, andere klären es
über Sex oder Krieg auf. Aber die Verantwortlichkeiten sind klar definiert, und
wenn ein Kind keine, sagen wir mal, Mutterbruderschwester für eine ganz bestimmte
Erziehungsaufgabe hat, dann setzt sich der Stamm zusammen und bestimmt einen
Ersatz. Weil die Erziehung der Kinder in gewisser Weise der Grund ist, warum
die Gesellschaft überhaupt existiert. Sie ist der wichtigste Vorgang, und sie
ist die Kulmination all der Werkzeuge und Kommunikationsformen und
Sozialstrukturen, die je entwickelt wurden. Und schließlich, ein paar Millionen
Jahre später, haben wir Kinder, die Computer benutzen.
    Wenn dieses Bild
aber nun einen Sinn ergibt, wo greift dann die natürliche Zuchtwahl ein? Wirkt
sie auf den Körper ein und vergrößert das Gehirn? Oder wirkt sie auf die Entwicklungsphasen
ein und stößt das Kind früh aus dem Mutterleib? Wirkt sie auf das soziale
Verhalten ein und provoziert Zusammenarbeit und Kinderfürsorge? Oder wirkt sie
auf alles gleichzeitig ein – auf den Körper, die Entwicklung und aufs
Sozialverhalten?«
    »Auf alles
gleichzeitig«, sagte Arby.
    »Das glaube ich
auch«, erwiderte Malcolm. »Aber vielleicht gibt es in dieser Geschichte auch
Teile, die automatisch funktionieren, als Ergebnis der Selbstorganisation. Zum
Beispiel haben Babys aller Arten ein charakteristisches Aussehen. Das trifft
auf Menschenkinder, Hundejunge und Vogelbabys zu. Und es scheint Erwachsene
aller Arten zu einem zärtlichen Verhalten ihnen gegenüber zu verleiten. In
gewisser Weise könnte man sagen, daß kindliches Aussehen Erwachsenenverhalten
selbstorganisiert. Und in unserem Fall ist das eine gute Sache.«
    Thorne fragte:
»Aber was hat

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