Vergessene Welt
das mit dem Aussterben der Dinosaurier zu tun?«
»Selbstorganisationsprinzipien
können zum Guten wie zum Schlechten hin agieren. So wie Selbstorganisation Veränderungen
koordinieren kann, kann sie eine Population auch in den Untergang führen. Ich
hoffe, daß wir auf dieser Insel selbstorganisierende Anpassungen im Verhalten
echter Dinosaurier sehen – und daß dies uns verraten wird, warum sie
ausstarben. Im Grunde genommen bin ich mir ziemlich sicher, daß wir bereits
wissen, warum die Dinosaurier ausgestorben sind.«
Das Funkgerät
klickte. »Bravo«, sagte Levines Stimme aus dem Lautsprecher. »Ich hätte es selber
auch nicht besser formulieren können. Aber vielleicht siehst du dir mal an, was
hier draußen passiert, Ian. Die Parasaurier tun nämlich was sehr Interessantes.«
»Was denn?«
»Komm raus und
schau’s dir an.«
»Kinder«, sagte
Malcolm. »Ihr bleibt hier und beobachtet die Monitoren.« Er drückte die
Sprechtaste. »Richard? Wir sind unterwegs.«
Parasaurier
Richard Levine hielt sich am Geländer
des Hochstands fest und verfolgte angespannt das Geschehen. Direkt vor ihm kam
hinter einer flachen Hügelkuppe der großartige Kopf eines Parasaurolophus
walkeri in Sicht. Der eigentliche Schädel des entenschnäbligen
Hadrosauriers war knapp einen Meter lang, aber er wurde vergrößert durch einen
langen Hornkamm, der nach hinten in die Luft ragte.
Während das Tier
langsam näher kam, konnte Levine die grüne Sprenkelung des Kopfes erkennen. Er
sah den langen, kräftigen Hals, den schweren Körper mit seinem hellgrünen Unterbauch.
Der Parasaurier war knapp vier Meter hoch und etwa von der Größe eines
stattlichen Elefanten. Der Kopf reichte beinahe bis zum Boden des Hochstands.
Das Tier bewegte sich gleichmäßig auf ihn zu, seine Schritte donnerten über den
Boden. Augenblicke später sah Levine einen zweiten Kopf hinter der Hügelkuppe
auftauchen, dann einen dritten und einen vierten. Die Tiere trompeteten und
kamen in Einzelreihe direkt auf ihn zu.
Kurz darauf war
das Leittier auf gleicher Höhe mit dem Hochstand. Levine hielt den Atem an, als
es vorüberzog. Das Tier starrte ihn an und verdrehte das große braune Auge, um
ihn beobachten zu können. Es leckte sich mit dunkelvioletter Zunge die Lippen.
Der Hochstand erzitterte unter seinen Schritten. Und dann war es vorbei und
trottete auf den Dschungel dahinter zu. Bald danach zog das zweite Tier vorüber.
Das dritte Tier
streifte das Gerüst und brachte den Hochstand zum Schwanken. Aber der Dinosaurier
schien dies gar nicht zu bemerken, er stapfte gleichmäßig weiter. Die anderen
ebenfalls. Einer nach dem anderen verschwanden sie im dichten Laubwerk hinter
dem Hochstand. Die Erde beruhigte sich wieder. Erst jetzt sah Levine den Wildwechsel,
der am Hochstand vorbei in den Dschungel führte.
Levine seufzte.
Sein Körper
entspannte sich langsam. Er nahm das Fernglas zur Hand und atmete tief durch.
Seine Panik ließ nach. Allmählich fühlte er sich wieder besser.
Und dann dachte
er: Was tun sie denn? Wohin gehen sie? Denn jetzt, da er darüber nachdachte,
kam ihm das Verhalten der Parasaurier ziemlich merkwürdig vor. Beim Fressen
waren sie in einer engen, defensiven Gruppe beisammengestanden, zur Wanderung
hatten sie jedoch eine Einzelreihe gebildet, die das übliche gedrängte
Herdenmuster aufbrach und die Individuen schutzlos einem Angriff durch Raubtiere
aussetzte. Und doch war dies eindeutig organisiertes Verhalten. Das Gehen in
Einzelreihe mußte einem bestimmten Zweck dienen.
Aber was für
einem?
Kaum waren sie
im Dschungel, begannen die Tiere, leise, kurze Trompetentöne von sich zu geben.
Wieder hatte Levine das Gefühl, daß es sich um Lautgebungen zur Positionsübermittlung
handelte. Vielleicht teilte auf diese Weise ein Tier dem nächsten mit, wo es
sich befand, während die Herde durch den Dschungel zog oder den Aufenthaltsort
wechselte.
Aber warum
wechselte die Herde den Aufenthaltsort?
Wohin gingen
sie? Was taten sie dort?
Hier oben auf
dem Hochstand fand er mit Sicherheit keine Antwort auf diese Frage. Etwas
unschlüssig lauschte er eine Weile den Geräuschen der Tiere. Dann schwang er
sich kurzentschlossen über das Geländer und kletterte das Gerüst hinunter.
Hitze
Sie spürte Hitze und Feuchtigkeit. Etwas
Rauhes fuhr ihr übers Gesicht, wie Schleifpapier. Dann noch einmal dieses Rauhe
auf ihrer Wange. Sarah Harding hustete. Etwas tropfte ihr auf den Hals.
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