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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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der Grund war, warum Dr. Levine sie und Arby
überhaupt gebeten hatte, seine Assistenten zu werden.
    Levine hatte
ihnen gesagt, ihre Aufgabe würde es sein, Geräte zu tragen, Übungsaufgaben zu
kopieren, Hefte einzusammeln und ähnliche Routinearbeiten. Da sie das als große
Ehre betrachteten und es interessant fanden, für einen richtigen Wissenschaftler
zu arbeiten, hatten sie zugestimmt.
    Doch es zeigte
sich, daß für die Klasse nie etwas zu tun war, das machte alles Dr. Levine
selbst. Statt dessen trug er ihnen kleine Erledigungen und Botengänge auf. Und
er hatte ihnen eingeschärft, diesem bärtigen Mann in dem grauen Auto aus dem
Weg zu gehen. Das war nicht schwer; der Mann beachtete sie gar nicht, weil sie
ja nur Kinder waren.
    Dr. Levine hatte
behauptet, der Mann verfolge ihn wegen einer Sache, die mit seiner Verhaftung
zu tun habe, aber Kelly glaubte das nicht. Ihre Mutter war schon zweimal wegen
Alkohol am Steuer verhaftet worden, aber verfolgt hatte man sie deswegen noch
nie. Kelly wußte also nicht, warum dieser Mann Levine verfolgte, aber es war ihr
klar, daß Levine irgendwelche geheimen Forschungen betrieb und nicht wollte,
daß jemand davon erfuhr. Eins wußte sie allerdings: Sein Unterricht an der
Schule war ihm ziemlich egal. Seine Stunden hielt er meistens aus dem Stegreif,
oder er kam nur bis zur Tür, drückte einem von ihnen einen aufgezeichneten Vortrag
in die Hand und verschwand wieder. Kelly und Arby wußten dann nie, wohin er
ging.
    Auch die
Botengänge, die sie für ihn erledigen mußten, waren mysteriös. Einmal fuhren
sie nach Stanford und holten dort bei einem Professor fünf kleine Kunststoffquadrate
ab. Der Kunststoff war leicht und irgendwie aufgeschäumt. Ein anderes Mal
mußten sie in einem Elektronikladen in der Innenstadt ein dreieckiges Gerät
abholen, das der Mann hinter der Theke ihnen sehr nervös gab, als wäre es etwas
Illegales oder so. Dann wieder mußten sie ein Metallröhrchen abholen, das
aussah wie ein Zigarrenbehälter. Sie konnten sich nicht beherrschen und mußten
es öffnen, doch dann wurde ihnen mulmig zumute, als sie sahen, daß es vier
versiegelte Plastikampullen mit einer strohfarbenen Flüssigkeit enthielt. Die
Ampullen trugen die Aufschrift: Höchste
Gefahr! Tödliches Gift! sowie das internationale Symbol für Biogefahr.
    Meistens waren
die Aufträge jedoch gewöhnlicher. Er schickte sie oft in Bibliotheken in Stanford,
um Material zu allen möglichen Themen zu kopieren: Japanische Schwertschmiedekunst,
Röntgen-Kristallographie, mexikanische Vampirfledermäuse, Vulkane in
Zentralamerika, die Meeresströmungen von El Niño, die Giftigkeit von Seegurken,
die Strebebögen von gotischen Kathedralen …
    Dr. Levine
erklärte ihnen nie, warum er an diesen Themen interessiert war. Oft schickte er
sie mehrere Tage hintereinander hin, um noch mehr Material herauszusuchen. Und
dann kam es vor, daß er plötzlich das Interesse an dem Thema verlor und es nie
mehr erwähnte. Und sie auf ein anderes ansetzte.
    Bei einigen
Themen konnten sie sich natürlich denken, warum sie ihn interessierten. Viele
der Fragen hatten mit den Fahrzeugen zu tun, die Dr. Thorne für Dr. Levines Expedition
baute. Aber meistens waren die Themen ihnen ein Rätsel.
    Gelegentlich
fragte sich Kelly, was der bärtige Mann wohl von der ganzen Sache halten würde.
Sie fragte sich, ob er etwas wußte, das sie nicht wußten. Aber eigentlich
schien der Bärtige ziemlich faul zu sein. Er schien noch nicht einmal gemerkt
zu haben, daß Kelly und Arby für Dr. Levine arbeiteten.
    Im Augenblick
sah der Mann zum Eingang der Schule hinüber und achtete nicht auf sie. Sie gingen
zum Ende der Straße und setzten sich auf die Bank, um auf den Bus zu warten.
     

Der Anhänger
     
     
    Das Schneeleopardenbaby spuckte die Flasche
aus, drehte sich auf den Rücken und streckte die Tatzen in die Luft. Es miaute
leise.
    »Es will
gestreichelt werden«, sagte Elizabeth Gelman.
    Malcolm streckte
die Hand aus, um ihm den Bauch zu kraulen. Das Junge wirbelte herum und grub
seine winzigen Zähne in seine Finger. Malcolm schrie auf.
    »Das macht es
manchmal«, sagte Gelman. »Dorje! Böses Mädchen! Behandelt man so einen
berühmten Gast?« Sie nahm Malcolms Hand. »Die Haut ist nicht verletzt, aber wir
sollten die Bißstelle trotzdem säubern.«
    Sie standen im
weißen Forschungslabor des San Francisco Zoo, es war drei Uhr nachmittags. Elizabeth
Gelman, trotz ihrer Jugend bereits Forschungsleiterin, wollte eigentlich

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