Vergessene Welt
über
ihre Befunde berichten, aber das mußte wegen der Nachmittagsfütterung auf der
Babystation verschoben werden. Malcolm hatte bei der Fütterung eines kleinen
Gorillas zugesehen, der gesabbert hatte wie ein Menschenbaby, dann bei einem
Koala und schließlich bei diesem niedlichen Schneeleoparden.
»Das tut mir
leid«, sagte Gelman. Sie führte ihn zu einem Waschbecken und seifte seine Hand
ein. »Aber ich habe mir gedacht, du kommst besser jetzt her, wenn das normale
Personal in der Wochenkonferenz sitzt.«
»Warum das?«
»Weil es viel
Interesse an dem Material gibt, das du uns geschickt hast, Ian. Eine ganze
Menge.« Sie trocknete ihm die Hand mit einem Tuch ab und untersuchte sie noch
einmal. »Ich glaube, du wirst es überleben.«
»Was hast du
gefunden?« fragte Malcolm.
»Du mußt
zugeben, die Probe ist wirklich sehr provokativ. Stammt sie übrigens aus Costa
Rica?«
»Wie kommst du
darauf?« fragte Malcolm, um Beiläufigkeit bemüht.
»Wegen all
dieser Gerüchte, daß in Costa Rica unbekannte Tiere auftauchen. Und das war mit
Sicherheit ein unbekanntes Tier, Ian.« Sie führte ihn aus der Babystation in
ein kleines Konferenzzimmer. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und lehnte
seinen Stock an den Tisch. Sie dämpfte das Licht und schaltete einen
Diaprojektor an. »Okay. Hier ist eine Nahaufnahme von deinem Material, vor
Beginn der Untersuchung. Wie du siehst, handelt es sich um ein Fragment
tierischen Gewebes im Zustand weit fortgeschrittener Nekrose. Die Probe mißt
vier mal sechs Zentimeter. Daran befestigt ist ein grüner Plastikanhänger, zwei
Zentimeter im Quadrat. Die Probe wurde mit einem Messer herausgeschnitten, allerdings
keinem sehr scharfen.«
Malcolm nickte.
»Was hast du
benutzt, Ian? Dein Taschenmesser?«
»So was
Ähnliches.«
»Na gut.
Beschäftigen wir uns zuerst mit der Gewebeprobe.« Ein neues Dia erschien auf
der Leinwand, Malcolm sah eine mikroskopische Ansicht. »Das ist ein
Gewebe-Dünnschnitt durch die obere Epidermis. An diesen unregelmäßigen, fransigen
Löchern da hat die postmortale Nekrose die Hautoberfläche zerstört. Was aber
interessant ist, ist die Anordnung der Epidermiszellen. Beachte die Dichte der
Chromatophoren, der Pigment enthaltenden Zellen also. Im Schnitt siehst du den
Unterschied zwischen den Melanophoren hier und den Allophoren dort. Das Gesamtmuster
deutet auf Lacertilia oder Amblyrhynchus hin.«
»Du meinst eine
Echse?« fragte Malcolm.
»Ja«, erwiderte
sie. »Sieht aus wie eine Echse – allerdings ist das Bild nicht ganz konsistent.«
Sie tippte auf die linke Hälfte der Abbildung. »Siehst du diese eine Zelle
hier, die im Schnitt diesen feinen Ring hat? Wir glauben, daß das eine Muskelzelle
ist. Die Chromatophore konnte sich öffnen und schließen. Was bedeutet, daß
dieses Tier die Farbe wechseln konnte, wie ein Chamäleon. Und siehst du dort
drüben diese große ovale Form mit dem hellen Zentrum? Das ist die Pore einer
femoralen Duftdrüse. Da ist eine wächserne Substanz im Zentrum, die wir noch
analysieren müssen. Aber wir nehmen an, daß das Tier männlich war, weil nur
männliche Echsen femorale Duftdrüsen haben.«
»Verstehe«,
sagte Malcolm.
Sie wechselte
das Dia. Malcolm sah etwas, das aussah wie die Nahaufnahme eines Schwamms.
»Jetzt sind wir tiefer drin. Hier ist die Struktur der subkutanen Schichten zu
sehen. Stark verzerrt wegen der Gasblasen von der Clostridien-Infektion, die
das Tier aufblähte. Aber man bekommt einen Eindruck von den Gefäßen – hier eins
und hier ein anderes –, die von glatten Muskelfasern umgeben sind. Das ist
untypisch für Echsen. Genaugenommen paßt nichts, was auf diesem Dia zu sehen
ist, zu Echsen oder überhaupt Reptilien.«
»Du meinst, es
sieht nach Warmblüter aus.«
»Genau«,
erwiderte Gelman. »Nicht gerade ein Säugetier, aber vielleicht vogelähnlich.
Das könnte, ich weiß auch nicht, ein toter Pelikan sein. So was in der
Richtung.«
»Aha.«
»Nur daß ein
Pelikan keine solche Haut hat.«
»Verstehe«,
sagte Malcolm.
»Nun weiter«,
sagte Gelman. »Wir konnten aus intraarteriellen Hohlräumen eine winzige Menge
Blut extrahieren. Nicht viel, aber genug, um eine mikroskopische Untersuchung
durchzuführen. Hier ist es.«
Wieder kam ein
neues Bild. Malcolm sah ein Gewirr von Zellen, vorwiegend rote, und hier und
dort eine mißgestaltete weiße. Es war ein verwirrendes Bild.
»Das ist nicht
mein Fachgebiet, Elizabeth«, sagte er.
»Na, dann sage
ich dir nur das
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