Vergessene Welt
für eure Hilfe. Und jetzt raus.« Er sah quer durch die Halle.
»Eddie, die Kinder gehen jetzt. Bring sie zur Tür und schließ hinter ihnen zu!
Bring mir endlich diese Papiere. Und pack ein paar Sachen zusammen, du kommst
mit mir!« Dann sagte er mit veränderter Stimme. »Ja, Vermittlung, ich warte
noch.«
Und er wandte
sich ab.
Harding
Durch das Nachtsichtgerät zeigte sich
die Welt in Abstufungen fluoreszierenden Grüns. Sarah Harding sah auf die
afrikanische Savanne hinaus. Direkt vor sich im hohen Gras sah sie die felsige
Spitze eines kopje . Ein Paar leuchtend grüne Stecknadelköpfe funkelte
auf dem Stein. Wahrscheinlich ein Klippdachs, dachte sie, oder ein anderer kleiner
Nager.
Sie stand
aufrecht in ihrem Jeep, im Sweatshirt zum Schutz gegen die kühle Nachtluft, das
Fernglas vor der Brust, und drehte langsam den Kopf. Ein Jaulen hallte durch
die Nacht, und sie versuchte, es zu lokalisieren.
Auch von ihrem
erhöhten Standpunkt im Jeep aus, das wußte sie, würde sie die Tiere nicht direkt
sehen können. Sie drehte sich langsam nach Norden und suchte das Gras nach
Bewegungen ab. Doch sie sah keine. Sie bewegte schnell den Kopf zurück, und die
grüne Welt verschwamm kurzfristig vor ihren Augen. Jetzt blickte sie nach
Süden.
Und dann sah sie
sie.
Das Gras wogte
in einem komplexen Muster, als das Rudel jaulend und bellend losstürmte. Kurz
sah sie das Weibchen, das sie »Gesicht 1« oder G1 nannte. G1 hatte ein charakteristisches
Merkmal, einen weißen Streifen zwischen den Augen. In dem für Hyänen typischen
seitlichen Gang trabte G1 dahin, sie hatte die Zähne gefletscht und blickte
sich ständig nach dem Rest des Rudels um.
Sarah Harding
richtete ihr Nachtsichtgerät auf die Savanne vor dem Rudel. Und dann sah sie
die Beute: eine Herde afrikanischer Büffel, die bis zu den Bäuchen im hohen
Gras standen. Die Tiere waren aufgeregt, sie brüllten und stampften.
Die Hyänen
jaulten lauter, eine Geräuschkulisse, die die Beute verwirren sollte. Sie rannten
durch die Herde hindurch, versuchten sie aufzubrechen und die Kälber von den
Müttern zu trennen. Afrikanische Büffel sahen träge und dumm aus, tatsächlich
aber gehörten sie zu den gefährlichsten der großen afrikanischen Säugetiere; es
waren schwere, kraftvolle Tiere mit scharfen Hörnern und notorisch schlechter
Laune. Darauf, ein ausgewachsenes Tier zu reißen, konnten die Hyänen nicht
hoffen, außer es war krank oder verletzt.
Aber sie würden
versuchen, ein Kalb zu schlagen.
Makena, Sarahs
Assistent, der am Steuer des Jeeps saß, fragte: »Wollen Sie näher ran?«
»Nein, das ist
gut so.«
Es war nicht nur
gut, es war ausgezeichnet. Der Jeep stand auf einer kleinen Anhöhe, und sie hatte
eine überdurchschnittlich gute Sicht. Mit ein wenig Glück würde sie die gesamte
Angriffsstruktur aufnehmen können. Sie schaltete die Videokamera an, die auf
ein Stativ eineinhalb Meter über ihrem Kopf montiert war, und sprach schnell in
ihr Diktiergerät.
»G1 südlich, G2
und G3 an den Flanken. 20 Meter. G3 Mitte. G6 umkreist in weitem östlichen
Bogen. G7 nicht zu sehen. G8 umkreist im Norden. G1 direkt durch die Herde.
Stört auf. Herde bewegt sich, stampft. Da ist G7. Direkt durch. G8 aus nördlicher
Richtung schräg durch die Herde. Kommt heraus, umkreist wieder.«
Das war
klassisches Hyänenverhalten. Das Leittier lief direkt durch die Herde, während
andere sie umkreisten und von den Seiten dazustießen. Auf diese Weise konnten
die Büffel nicht alle ihre Angreifer gleichzeitig im Auge behalten. Sarah hörte
das Brüllen der Tiere, als die Herde in Panik geriet und die enge Formation
sich auflöste. Die großen Tiere stoben auseinander, drehten sich um, suchten
einen Fluchtweg. Die Kälber konnte Sarah nicht sehen, das hohe Gras verbarg
sie. Aber ihre flehenden Schreie konnte sie hören.
Jetzt kehrten
die Hyänen zurück. Die Büffel stampften und senkten drohend die großen Köpfe.
Das Gras wogte, während die Hyänen weiter die Herde umkreisten, ihr Jaulen und
Bellen klang nun abgehackter. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf das Weibchen
G8, dessen Lefzen bereits blutverschmiert waren. Den eigentlichen Angriff hatte
Sarah also nicht mitbekommen.
Die Büffelherde
bewegte sich ein Stück nach Osten, wo sie sich wieder formierte. Ein Weibchen
stand etwas abseits und brüllte die Hyänen ununterbrochen an. Offensichtlich
hatten sie ihr Kalb gerissen.
Sarah war
enttäuscht. Es war sehr schnell
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