Vergib uns unsere Sünden - Thriller
nicht auch zu so was fähig wären.«
Miller lächelte. »Das ist jetzt etwas drastisch, oder?«
»Vergessen Sie nicht, was Psychopharmaka mit den Menschen machen können.«
»Das mag stimmen«, sagte Miller. Er richtete sich auf, knöpfte sein Jackett zu.
»Und wohin geht’s jetzt?«, fragte Marilyn Hemmings.
»Zur Polizeiverwaltung … wir müssen einen verschwundenen Cop finden.«
Hemmings lächelte, begleitete Miller zur Tür. Roth war schon auf dem Flur, und als Miller ihm nachgehen wollte, berührte Marilyn Hemmings ihn am Ärmel seines Jacketts.
»Macht es Ihnen zu schaffen?«, fragte sie.
Miller runzelte die Stirn, lächelte fragend. »Was meinen Sie?«
»Das, was hier passiert, die Frau, die Sie vernommen haben, und dass dieser Kerl - wer immer es ist - weiß, mit wem Sie geredet haben …«
»Sie wollen wissen, ob ich unter Paranoia leide?«
Sie schüttelte den Kopf. »Himmel, das tun wir doch alle. Ich dachte mehr an eine konkrete Bedrohung.«
Miller war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. »Er hat es auf Frauen abgesehen«, sagte er. »Er bringt Frauen um, nicht Polizisten.«
»Und Natasha Joyce … sie hatte eine kleine Tochter, oder?«
»Chloe«, sagte Miller. »Neun Jahre.«
»Hat sie Angehörige?«
»Jugendamt.«
Marilyn Hemmings wandte kurz den Blick ab, vielleicht nachdenklich.
»Was ist?«, fragte Miller.
»Nichts.«
Miller spürte etwas zwischen ihnen. Es machte ihn verlegen.
»Sie wollten etwas sagen?«, fragte Marilyn Hemmings.
Miller schaute zu Roth hinüber. Roth wollte zurückkommen, aber Miller hob die Hand, um ihn davon abzuhalten.
»Manchmal …«, setzte Miller an.
»Manchmal fragen Sie sich, ob wir nicht mal zusammen ausgehen könnten oder so?«
Miller nickte. »Oder so … Ja, wir könnten doch mal zusammen essen gehen oder so.«
»Gehen Sie immer so ran?«
»Das ist kein Film«, sagte Miller. »Ich bin ein normaler Mann und verfüge nicht über ein Arsenal flotter Sprüche. Ich bin kein Charmeur, ich bin ein Kripobulle, der auf dem Zahnfleisch geht.«
»Verlockende Aussicht, mit Ihnen essen zu gehen.«
»Sie machen sich über mich lustig«, sagte Miller. »Vergessen Sie, dass ich gefragt habe.«
»Haben Sie ja gar nicht. Ich habe es Ihnen abgenommen.«
»Weil Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt haben«, sagte er. »Ich bin nicht hier, um Sie zum Essen einzuladen.«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie. »Soll ich Ihnen etwas sagen?«
Miller hob die Augenbrauen.
»Ich bin mit einigen Polizisten ausgegangen … Interessiert Sie mein Eindruck?«
»Nehmen Sie kein Blatt vor den Mund.«
Hemmings lächelte über Millers sarkastischen Unterton. »Sie und Ihre Kollegen haben bei ihrer Arbeit ständig mit Umständen zu tun, bei denen jemand die Polizei braucht. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
Miller runzelte die Stirn.
»Irgendwann glauben sie nicht mehr, dass es Situationen gibt, in denen nicht in irgendeiner Form Gesetzesbruch, häuslicher Missbrauch, Tod und Selbstmord oder Drogenmissbrauch im Spiel sind …«
»Und was wollen Sie mir damit sagen? Dass ich aufhören soll, meine Arbeit mit nach Hause zu nehmen? Mein Gott, das krieg ich von Roth und seiner Frau schon oft genug zu hören.«
»Mein Job hier hat mit Körperteilen zu tun - hier, in der Pathologie. Ich verbringe meine Arbeitstage damit, Menschen aufzuschneiden und hineinzuschauen. Stellen Sie sich vor, ich würde meine Arbeit mit nach Hause nehmen.«
»Der Vergleich hinkt vielleicht ein bisschen …«
»Physikalisch vielleicht, aber nicht emotional und mental. Wenn Sie ständig den ganzen Mist im Kopf mit sich herumtragen, kriegen Sie irgendwann mal …«
»Okay, okay«, fiel Miller ihr ins Wort. »Ist es in Ordnung, wenn ich Sie anrufe? Ich kann noch nicht abschätzen, wann wir das Tageslicht wiedersehen. Ich habe meinen Revierchef, der hat seinen Vorgesetzten und dem steigt der Bürgermeister aufs Dach …«
»Schon verstanden, Detective Miller. Sie wissen, wo Sie mich finden. Rufen Sie mich an, wenn Sie wieder Luft zum Atmen haben. Dann reden wir weiter, okay?«
Miller war noch keinen Deut weniger mulmig zumute.
»Und noch etwas«, sagte Hemmings. »Suchen Sie nach einem, der es tun muss , und nicht nach einem, dem es Spaß macht. Okay?«
»Hab verstanden«, antwortete Miller.
Als sie die Treppe hinunter zum Auto gingen, sagte Roth: »Was war los? Sah aus, als wollte sie dich anmachen.«
»Hat sie ja auch.«
»Na also … Ist doch mal ein
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