Vergib uns unsere Sünden - Thriller
erfahren. Das ist der Deal.«
»Ja.«
»Ich könnte dir alles Mögliche erzählen. Muss ja nicht die Wahrheit sein.«
»Könntest du.«
»Du weißt nicht, ob es die Wahrheit ist oder nicht.«
»Aber du wüsstest es.«
»Und?«
»Du wüsstest es und würdest dir wie der letzte Arsch vorkommen. Du würdest anfangen, dich zu fragen, ob ich dich durchschaue. In jede noch so harmlose Bemerkung von mir würdest zu alles Mögliche hineininterpretieren. Und du müsstest deinen Text immer schön im Kopf behalten, falls ich dich noch mal nach deinen Leuten frage. Das wär doch’n ziemlicher Unsinn, oder? Dazu fehlt uns die Zeit, und erst recht fehlt uns der Nerv für solche Spielchen, mein Freund …«
»Also gut, ich erzähl’s dir.«
»Die Wahrheit?
»Ja, die Wahrheit.«
Catherine schaute mich mit solch gespannter Erwartung an, dass es mir schwerfiel, nicht sofort loszuplappern. Ich räusperte mich. Ich schaute zum Fenster hinüber. Ich sah auf die Uhr.
»Fang an, John Robey, oder ich geh mir in einer Bar in Richmond’nen harten Schwanz suchen.«
»Mein Vater«, begann ich. Ich blickte zu Boden. Schon spürte ich die subtile Anspannung in meiner Brust. Der Vagusnerv im Unterbauch rebellierte. Tränen in den Augen? Ich schloss sie, zwang mich, nur an das zu denken, was ich sagen wollte. Ich wollte absolut nichts fühlen.
Ich sah hoch zu Catherine Sheridan.
»Mein Vater hat meine Mutter getötet«, sagte ich leise. »Und ich … Ich habe ihm dabei geholfen.«
24
Roth saß am Steuer, Miller dachte über Marilyn Hemmings nach, eine Frau, die er seit drei, vielleicht vier Jahren kannte. Seit sie als Assistentin in der Pathologie angefangen hatte. Inzwischen hatte sie ein eigenes Labor, erledigte die Hauptarbeit, musste sich höchstpersönlich mit der Verwaltung und dem Coroner herumschlagen, sich mit all den Grenzen und Zuständigkeiten auseinandersetzen, die es auf solchem Terrain zu beachten gab. Sie war dabei sie selbst geblieben, trug ihren bissigen Humor wie einen Orden und sah dabei mehr als passabel aus. Er hatte schon öfter darüber nachgedacht, sie mal zum Essen einzuladen, und sich dann doch nicht getraut.
»Ich denke jetzt mal laut«, sagte Roth unerwartet. »Nur so ein Einfall, eine Idee. Die Sache mit den zwei Mördern. Einer, der die ersten drei Frauen ermordet hat, ein anderer, der die Sheridan ermordet hat. Seit Sheridans Autopsie ziehen wir diese Möglichkeit in Betracht. Der eine könnte McCullough sein und der andere der Mann auf dem Foto …«
»Der Mann auf dem Foto kann irgendwer sein.«
»Er kannte die Sheridan. Und die Sheridan hatte mit Darryl King zu tun …«
»Hier ist es«, sagte Miller und zeigte auf das Gebäude auf
der anderen Straßenseite, in dem die Polizeiverwaltung untergebracht war. Roth ging vom Gaspedal und stoppte den Wagen.
Lester Jackson zeigte ein kurzes Wiedererkennen, bevor seine Miene zu widerwilliger Verantwortlichkeit wechselte.
»Mr Jackson«, rief Miller, »wie schön, Sie zu sehen.«
Jackson lächelte angestrengt. »Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Womit kann ich diesmal helfen?«
»Pensionsabteilung.«
»Pensionsabteilung?«, sagte Jackson mit Erleichterung in der Stimme. »Zu der Tür hinaus, dann nach links, etwa einen halben Block weiter. Es ist ein anderer Bau. Noch mal zum Mitschreiben, nach links, einen halben Block, nicht zu verfehlen.«
»Haben Sie vielen Dank, Mr Jackson.«
»Es ist mir eine Freude, Detective.«
Als sie wieder bei der äußeren Tür waren, sagte Roth: »Der ist vielleicht froh, uns wieder von hinten zu sehen.«
»Irgendwann wird Lester Jackson den Mund aufmachen«, erwiderte Miller.
Die Pensionsabteilung des Washingtoner Police Department war in einem schmalen Gebäude, keine hundertfünfzig Meter von der Hauptverwaltung entfernt, untergebracht. Am Empfang wies man Miller und Roth zu einer Stuhlreihe vor dem Frontfenster und bat sie, dort zu warten, bis jemand Zeit für sie hatte. Als dieser Jemand endlich kam, war es eine schmerzlich magere Dame namens Rosalind Harper, die sie in ihr Büro im ersten Stock mit Blick auf die Sixth Street mitnahm.
Nachdem sie hinter einem Monitor Platz genommen hatte, fragte sie, was sie für sie tun konnte.
»Wir brauchen die Adresse eines aus dem Dienst ausgeschiedenen Polizeibeamten«, erklärte ihr Miller.
»Name?«
»McCullough. Michael McCullough.«
»Revier?«
»Sieben.«
»Wann ausgeschieden?«
»März 2003«, antwortete Miller.
Rosalind drückte Tasten,
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