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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Anspannung in meiner Brust. Eine verrückte Angst hatte von mir Besitz ergriffen. Ich musste einen Moment innehalten, mich sammeln, um zumindest mit dem äußeren Anschein der Sachlichkeit von den Dingen erzählen zu können.
    »Er hat … Er hat einen Doppelsarg gebaut«, sagte ich leise.
    »Was?«
    »Für zwei … Er hat einen Sarg gebaut, in dem zwei Menschen Platz hatten, und am dreizehnten September ist er spätnachts zu meiner Mutter ins Schlafzimmer gegangen. Er hat eine Spritze mit Morphium gefüllt und es ihr injiziert, und dann hat er sich neben sie gelegt, bis sie tot war. Er hat ihr das Hochzeitskleid angezogen, sie hinunter in den Keller getragen und in den Sarg gelegt. Ein paar Stunden hat er dort gesessen, dann hat er seinen Hochzeitsanzug angezogen und sich neben sie in den Sarg gelegt. Er hat sich eine Überdosis Morphium gespritzt, den Sargdeckel so weit über sie beide
gezogen, dass er von selber zuklappte, und ist neben ihr liegend gestorben …«
    Catherine schaute mich eine Weile lang mit großen Augen und offenem Mund an, und ich ahnte ihre Frage im Voraus.
    »Nein«, sagte ich, »ich bin erst nach fünf, sechs Stunden dahintergekommen. Ich dachte, er hätte sie irgendwo hingebracht, er hätte endlich seine Niederlage eingestanden und sie in ein Krankenhaus gefahren, aber der Pick-up stand draußen, und Mantel, Stiefel, seine ganzen Alltagssachen waren dort, wo er sie am Abend gelassen hatte. Dann bin ich runter in den Keller gegangen. Dass der Sargdeckel geschlossen war, ist mir erst nach einer ganzen Weile aufgefallen. Ich fing an, darüber nachzudenken, wie ich tagelang an dem Ding gearbeitet hatte, und jedes Mal, wenn ich ihn fragte, sagte er nur, er brauche meine Hilfe, ich müsse ihm um Moms willen helfen …« Ich schloss die Augen und ließ mich zurücksinken.
    »Großer Gott«, sagte Catherine Sheridan, ein Aufschrei. »Das ist das Schlimmste … Nein, ich meine, nicht das Schlimmste, Scheiße, John … Ich weiß nicht, was ich meine …«
    Ich blieb lange so sitzen - den Kopf im Nacken, die Augen geschlossen - und dachte darüber nach, ob ich jemals in der Lage sein würde, dieses Bild aus meinem Kopf zu vertreiben - meine Eltern Seite an Seite, mein Vater die Hand meiner Mutter haltend, das Gesicht ihr zugewandt, ein seltsames, beinahe beglücktes Lächeln auf den Lippen; dieses Bild und dazu der Kampfergeruch seines Anzugs, der Geruch nach Holz und Firnis, Beize und Wachs … ich dachte darüber nach, ob ich jemals wieder an meine Eltern denken konnte, ohne dieses starre Lächeln auf ihren Gesichtern zu sehen - endlich vereint, niemand mehr, der sie ablenken, stören, in ihre Privatsphäre eindringen konnte …
    »Was hast du gemacht?«, fragte Catherine.

    Ihre Stimme schreckte mich auf. An der Trockenheit meiner Augen fühlte ich, dass ich dem Drang zu weinen widerstanden hatte. Ich hatte damals nicht geweint, später nicht, und jetzt wollte ich nicht damit anfangen. Ich wollte sachlich sein, die Dinge als das sehen, was sie waren. Eine sterbende Frau. Ein mitfühlender Ehemann. Eine Entscheidung. Nicht mehr und nicht weniger. Ich konnte nur ahnen, was mein Vater durchgemacht hatte, aber es war ihm bei seiner Entscheidung, so erschien es mir im Rückblick, weniger darum gegangen, die Reise mit ihr gemeinsam zu machen, als darum, so bald wie möglich zu ihr aufzubrechen. Er hatte meine Mutter am Leben erhalten, bis alles bereit war. Und ich hatte ihm geholfen. Ich hatte versucht, es anders in Erinnerung zu behalten. Nicht mit Trauer und Fassungslosigkeit, sondern mit Dankbarkeit. Während dieser Wochen der gemeinsamen Arbeit im Keller waren wir uns näher gewesen als je zuvor im Leben, und ich hatte meinen Vater kennengelernt. Als einen guten Mann, einen Mann mit Prinzipien und Moral und dickköpfiger Beharrlichkeit gegen alle Widerstände. Ich wollte mir vorstellen, dass ich ein paar dieser Eigenschaften geerbt hatte. Ein Stück von meinem Vater sollte in mir weiterleben.
    »Was hast du gemacht, John?«
    »Ich habe eine Zeit lang gewartet. Ich wollte das alles in einen Bezugsrahmen stellen, versuchen, die Entscheidung meines Vaters zu verstehen, bevor ich nach oben gehen und den Arzt anrufen würde. Er hat einen Polizisten und den Leichenbeschauer mitgebracht, und die haben sie aus dem Haus geschafft.«
    Ich war einen Moment still. Ich sah mich wieder dort im Flur stehen, wo ich eine Weile wartete, bevor ich zurück in den Keller ging. Es war eng da unten: der Doktor, der

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