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Vergib uns unsere Sünden - Thriller

Titel: Vergib uns unsere Sünden - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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einiges mitgemacht und gesehen, wenn Sie mich verstehen.«
    Roth beugte sich vor. »Sie meinen, Sie spüren so was?«
    Audrey lachte plötzlich, abrupt. Das Lachen zerknitterte ihr das Gesicht wie eine Papiertüte. Die Falten um die Augen, die gelblichen Raucherzähne, die von Mascara zu Dreieroder Viererbündeln verklebten Wimpern - diese Dinge verrieten ihr Alter. »Wie’ne Art Medium womöglich? Du lieber Gott, nein.« Sie schaute hinüber zu der Gruppe von Männern am Ende des Tresens. »Diese alten Säcke würden mich als Hexe verbrennen. Nein, spüren tu ich gar nichts. Ich halte die Augen offen, und was ich sehe, das sehe ich. Ich bin seit über fünfzehn Jahren in diesem Laden.« Ihr Blick schweifte zum Vorderfenster hinaus. »Donovan. Das war mein Mann. Vor dreizehn Jahren ist er gestorben und hat mir den Laden
hinterlassen. Hier gehen so viele Leute ein und aus, dass ich nicht mehr mitzähle. Aber ich rede mit ihnen, verstehen Sie?« Sie sah Miller an. »Sie sind ein Cop. Ihr Cops macht es doch genauso. Ihr redet mit Leuten, schaut sie euch an, hört ihnen zu, seht, was ihr seht, und was ihr nicht seht, reimt ihr euch zusammen. So schwer sind die Menschen nicht zu verstehen.«
    Miller wusste, wovon sie sprach.
    »Ich will damit sagen, dass man ein Gefühl für die Menschen bekommt. Dass man weiß, wer Gesellschaft sucht. Egal, wer sie sind, sie kommen hier rein und zeigen ihre Wunden. Und dann gibt es die anderen. Mit einem Presslufthammer kannst du stundenlang zusammenhocken und kriegst kein Dutzend Worte aus ihm raus. Und John? Der erzählt dir die Dinge, von denen er glaubt, dass du sie hören willst, und kein Wort mehr. Ich meine, vielleicht verstehe ich ihn völlig falsch, aber das glaube ich nicht. Mir kommt er vor wie einer, der an einer schweren Last trägt. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Und Sie sind ganz sicher, dass der Mann, an den Sie denken, derselbe wie auf den Fotos ist?«
    »Das war eine Galerie von allen Möglichkeiten«, sagte Audrey. »Immer dasselbe Bild mit einer ganzen Reihe verschiedener Frisuren und was nicht noch. Eines davon kommt sehr nah an sein heutiges Aussehen ran. So sieht er aus. Er ist so ein Typ, der wie Millionen andere aussieht. Und wenn er dann mit einem redet, schaut man ihn an, und danach verwechselt man ihn nicht mehr.«
    »Hat er Ihnen Angst gemacht?«, fragte Miller.
    »Angst? Lieber Gott, nein. Da gehört mehr dazu, dass ein Gast mir Angst macht.«
    Miller musste lächeln, als sie wieder loslachte.
    »Er kommt hier rein und bestellt einen Kaffee zum Mitnehmen, ganz selten bestellt er ein Sandwich oder setzt sich
ein paar Minuten hin, um die Zeitung zu lesen oder ein bisschen zu plaudern, dann steht er auch schon wieder auf und geht.«
    »In welche Richtung geht er?«, fragte Roth.
    »Nach links«, sagte Audrey. »In Richtung Bibliothek und College.«
    »College?«, fragte Roth.
    »Das Mount Vernon College, auf der anderen Seite des Platzes.«
    »Und von dort kommt er auch?«, fragte Miller.
    »Nicht immer«, antwortete Audrey. »Er kommt von beiden Seiten, manchmal von der Bibliothek her, manchmal vom Thomas Circle.«
    Miller schwieg einen Moment. Er trank einen Schluck Kaffee, dachte über etwas nach. »Jemand muss kommen und einen Knopf unter Ihrem Tresen installieren.«
    »Einen Knopf?«, fragte Audrey.
    »Ja, einen Knopf. Wie in einer Bank oder so. Mit einer Leitung, damit Sie unbemerkt Alarm auslösen können.«
    Audrey öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann zögerte sie. »Der Kerl hat nicht nur vergessen, seine Steuererklärung abzugeben, oder? Er hat mehr auf dem Kerbholz.«
    »Er kann uns eventuell bei einem Fall behilflich sein.«
    »Ach, so nennt ihr das. Kann mir schon denken, was das heißt. Er ist …«
    Miller lächelte Audrey an und legte seine Hand auf ihre. »Audrey«, sagte er, »was er getan oder nicht getan haben könnte, wissen wir nicht, solange wir nicht mit ihm geredet haben. Im Augenblick sind Sie der einzige Mensch in ganz Washington, der uns irgendetwas Brauchbares über den Mann sagen konnte. Wir suchen schon eine Weile nach ihm, und jetzt sieht es aus, als könnten wir ihn in den nächsten Tagen endlich kriegen. Das verdanken wir Ihnen. Ich will nicht, dass Ihnen etwas zustößt, und genauso wenig will ich,
dass der Mann vielleicht Wind von etwas kriegt und verschwindet. Er könnte jemand sein, vielleicht ist er auch niemand, aber im Moment ist er der Einzige, den wir haben. Wir müssen unter Ihrem Tresen diesen Knopf

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