Vergib uns unsere Sünden - Thriller
hatte, ihn zu töten. Ich habe ihn getötet, weil er im Besitz von Informationen war, die in die Hände der Sandinisten weitergegeben werden sollten, zumindest hatte Lewis Cotten es mir so erklärt.
»Der Mann ist ein Arschloch«, hatte er gesagt. »Und obendrein Anwalt … Himmel, John, was brauchst du noch für einen Grund, den Kerl umzulegen? Francisco Sotelo ist ein Scheißrechtsanwalt. Es ist scheißegal, was nun stimmt oder nicht stimmt, man darf dem Kerl nicht über den Weg trauen. Er hat Informationen, die ihren Weg zu den Sandinisten finden, und mit diesen Informationen könnte man Operationen im Norden unschädlich machen, die für uns lebenswichtig sind. Es wurde zweifelsfrei festgestellt, wie nachvollziehbar auch immer, dass dieser Mann die Ursache für das Problem ist. Du gehst da hin und bringst die Sache in Ordnung, und hinterher schlafen wir alle ein bisschen besser.«
Jetzt hatte ich die Sache in Ordnung gebracht.
Ob irgendjemand besser schlief deshalb, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Ich jedenfalls nicht, und nur das machte mir Sorgen.
Ich verließ unbeobachtet das Büro und fuhr quer durch die Stadt zu Sotelos Haus. Um die Dokumente zu finden, die wir bei ihm vermuteten. Mehr sollte ich dort nicht finden.
Die Ereignisse dieses Abends, die Nachwirkungen dessen, was ich in diesem Haus fand, stellten in ihrer Bedeutung alles in den Schatten, was bis dahin passiert war. Ich musste die Erfahrung machen, dass die Wahrheit viel mächtiger und überzeugender ist als alle Propaganda.
Es war der Anfang vom Ende, und ich wusste - und Catherine wusste es auch - , dass wir ganz entsetzliche Dinge getan hatten.
28
»Was ich hier liegen habe«, sagte Frank Lassiter und deutete auf ein halbes Dutzend am Rand seines Schreibtisches gestapelter Aktenordner, »sind die abschließenden Berichte der kriminaltechnischen Ermittlungen in jedem einzelnen Fall. Die ursprünglichen Ergebnisse wurden ergänzt und auf Verbindungen untereinander abgeklopft.« Er lächelte schicksalsergeben. »Was ich hier habe, sage ich, allerdings kommt man nach sorgfältiger Lektüre zu dem Schluss, dass das so gut wie gar nichts ist.«
Lassiter ging um den Schreibtisch herum und ließ sich schwer in den Sessel fallen. Er sah so erschöpft aus, wie Miller sich fühlte.
Das Schweigen im Raum war zu greifen. Wie für die Ewigkeit breitete es sich zwischen den drei Männern aus.
Miller brach es, als er sagte: »Von dem Diner hat man Ihnen erzählt …?«
Lassiter nickte. »Hat man, und von dem baufälligen Mietshaus, in dem McCullough angeblich gewohnt haben soll. Es gibt also eine Kellnerin, die den Kerl wiedererkannt haben will.«
Miller beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie, begrub für einen Moment das Gesicht in den Handflächen. In seinem Kopf wuchs eine Dunkelheit wie eine Schwellung. Als wäre es eine Bestrafung. Eine Strafe für irgendetwas. Er musste an Brandon Thomas’ Gesicht denken, seinen Ausdruck, als er rückwärts die Treppe hinabstürzte. Als wäre er überzeugt, dass Miller ihn absichtlich gestoßen hatte. Miller schaute hoch zu Lassiter. »Wir geben unser …«
»Ihr gebt euer Bestes«, fiel Lassiter ihm ins Wort. »Ich weiß, dass ihr euer Bestes gebt, aber euer Bestes ist eben nicht genug.«
»Wir brauchen mehr Leute …«, setzte Roth an.
»Ihr wisst, dass ich nicht mehr Leute habe«, erwiderte Lassiter. »Wisst ihr eigentlich, wie viele Menschen jedes Jahr in Washington ermordet werden?« Er lächelte, schüttelte den Kopf. »Ich muss euch nicht sagen, wie viele Menschen jedes Jahr in Washington ermordet werden, oder? Diese fünf sind nur ein Bruchteil dessen, was wir bearbeiten müssen, vom Rest der Stadt gar nicht zu reden. Achtunddreißig Reviere, und getrost hinzurechnen darf man die Amtshilfe für Annapolis, Arlington und weiß der Teufel, wer sonst noch alles meint, schlechter ausgestattet zu sein als wir …« Lassiters Stimme verebbte in Schweigen. Er schaukelte in seinem Sessel, warf einen Blick aus dem Fenster hinter seinem Schreibtisch. »Wollt ihr wissen, was meine Frau heute Morgen zu mir gesagt hat?«
Miller wollte etwas sagen, aber Lassiter ließ ihm nicht die Zeit.
»Ihr schaut zu genau hin, um etwas zu sehen, hat sie gesagt.«
Lassiter drehte sich jäh in seinem Stuhl herum. Sein Lächeln wirkte etwas verwirrt. »Da wird die eigene Frau auf einmal zur Scheißbuddhistin. Was sagt ihr zu dem Quatsch? Wir schauen zu genau hin, um etwas zu sehen. Kapiert ihr das?
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