Vergib uns unsere Sünden - Thriller
identifiziert.«
»Diese hier auch, Ann Rayner«, antwortete Miller.
»Ob man ihre Fingerabdrücke überhaupt genommen hat, was meinst du?«
Miller nickte. »Das ist Standard, ganz sicher«, antwortete er.
»Ruf Tom Alexander an … Frag ihn, ob sie ihre Abdrücke in der Kartei haben.«
Miller rief den Empfang an, ließ sich die Dienststelle des Coroners geben und wartete, während er durchgestellt wurde.
»Tom? Robert Miller. Frage … Habt ihr von allen Opfern die Abdrücke in der Kartei, bis hin zu Margaret Mosley?«
Miller schwieg, schaute Roth an.
»Wissen sie, ob ihre Abdrücke je durch das System geschickt wurden?« Miller runzelte die Stirn. »Nein, ist okay. Ich bleib dran.«
Miller legte die Hand über die Sprechmuschel. »Er glaubt es nicht, sagt er. Über die Fingerabdrücke versuchen sie’s nur, wenn physische Identifizierung nicht möglich ist …« Plötzlich wandte er sich ab. »Ja, sicher … Halten Sie sie für mich fest, wir kommen rüber.«
Miller legte auf. »Sie haben sie in der Kartei, aber bei den
ersten drei Opfern, Mosley, Rayner und Lee, haben sie keine Überprüfung durchgeführt. Es war nicht nötig, weil sie anhand persönlicher Dokumente eine sichere Identifizierung machen konnten. Mal sehen, was sie in der AFIS-Datei über sich zu erzählen haben.«
Roth zog sein Jackett an und verließ hinter Miller den Raum.
Jetzt habe ich also mit Robert Miller gesprochen.
Er kam zu mir ins Haus. Um mit mir zu sprechen. Das Reden überließ er mir. Er hat sich angehört, was ich zu erzählen hatte, dann ist er in mein Badezimmer gegangen und hat eine Haarbürste gestohlen. Was er auch findet, er kann es nicht verwenden. Das wird ihm zu schaffen machen. Er hat die Linie überschritten. Er hat sie gesehen, direkt vor ihm, und dann gab es diesen Augenblick - diesen einen simplen Augenblick, nicht länger als ein Atemzug, ein Herzschlag -, in dem er sich entschieden hat.
Soll ich? Soll ich nicht?
So wie ich. So wie Catherine Sheridan. So wie Margaret Mosley, Ann Rayner, Barbara Lee, Darryl King, und sogar - auf seine eigene Weise - Michael McCullough. Beim Gedanken an Michael McCullough muss ich lächeln … Die Linie war da, sie haben sie deutlich gesehen, und es gab diesen Augenblick, in dem sie sich hätten entscheiden können, umzukehren, den Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren … Aber nein, sie haben es nicht getan. Keiner von uns hat es getan. Wir haben getan, was von uns erwartet wurde, und wir haben es aus Angst getan und aus irgendeiner eingebildeten Loyalität, der Überzeugung, etwas zu besitzen, das festzuhalten sich lohnte …
Verschiedene Motive für verschiedene Menschen.
Ich frage mich nach Millers Motiven. Er ist alleinstehend.
Hat keine Frau, keine Freundin. Seine Eltern sind tot. Er hat keine Brüder, keine Schwestern. Robert Miller hat keine Familie, wird vielleicht nie eine haben. Er hat seine Arbeit. Vielleicht bedeutet ihm seine Arbeit alles. Vielleicht versucht er sich einzureden, dass sie ihm alles bedeutet, aber ich weiß, dass es nicht so ist. Ich glaube, er weiß es auch.
Robert Miller ist ein Stern in einem Orbit. Ein toter Stern, aber ein Stern. Am Ende des Tages gibt es für ihn kein Licht. Er hat keinen Grund, schnell nach Hause zu gehen.
Vielleicht hat er die Linie überschritten, weil er glaubt, wenn er den Wahnsinn enträtselt, dem er gegenübersteht, könnte ihm das eine Bestimmung, eine Richtung geben. Und einen Grund zu leben.
Vielleicht habe ich das, was ich getan habe, aus genau demselben Grund getan. Ein Grund, der im Rückblick überhaupt kein Grund zu sein scheint.
Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Die Vergangenheit ist vergangen, sie kann nicht wieder eingeholt, nicht noch einmal gelebt werden.
Würde ich noch einmal zurückgehen, wenn ich es könnte? Wer weiß das schon? Und wen interessiert es?
Wir werden das Spiel spielen, Detective Miller und ich, und dann sehen wir, was dabei herauskommt.
41
Marilyn Hemmings war außer Haus, als Miller und Roth eintrafen. Miller war froh darüber. Besser nicht daran erinnert werden, was er getan hatte.
Tom Alexander kam ihnen auf dem Korridor entgegen. Er wirkte erschöpft, dunkle Schatten unter den Augen waren nicht zu übersehen.
»Überlastung«, erklärte er Miller. »Doppelschichten gestern
und vorgestern. Meiner Mutter geht’s nicht gut, und die Freundin …« Er lächelte vielsagend.
»Aber Sie haben die Fingerabdrücke?«, fragte Roth.
»Ich habe sie und auch wieder
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