Vergib uns unsere Sünden - Thriller
ich ja selber. Jemand hat ihm eine Schnur um den Hals gebunden, ihn in den Kofferraum gesperrt, das Auto angezündet und ihn da drinnen zu Tode geröstet …«
»Er trug die Schnur um den Hals?«
»Sagt Greg Reid von den Kriminaltechnikern …«
»O Gott, auch das noch.«
»Ja. Und im Handschuhfach lag ein ganzes Sortiment von solchen Schnüren …«
»Wer zum Teufel ist das?«, fragte sie.
Miller schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ebendarum will ich das wissen. Und zwar so bald wie möglich. Und Sie sind nun mal der einzige Mensch hier, dem ich vertrauen kann …«
»Vertrauen? Darum geht es also? Glauben Sie denn, dass jemand hinter Ihnen her ist?«
Miller antwortete nicht.
»Um Himmels willen«, rief sie. »Langsam bekomm ich’s richtig mit der Angst.«
Miller nahm ihre Hand, hielt sie einen Augenblick lang fest und sah ihr in die Augen. Für einen Augenblick schien es, als würde sie seinem Blick ausweichen.
»Bitte, tun Sie es für mich«, sagte er. »Können Sie nicht einfach versuchen herauszubekommen, ob irgendein Name zu dieser Leiche passt?«
»Wo liegt sie?«
»Labor Nummer vier hat man mir gesagt, kann das sein?«
Gemeinsam gingen sie durch den Gebäudekomplex zu Labor Nummer vier. Hemmings wies Miller an, sich dicht an der Wand zu halten, möglichst weit weg von der Tür. Die verkohlten Überreste des Opfers aus dem Kofferraum lagen auf einem Obduktionstisch. Hemmings schaltete die Deckenbeleuchtung
und den Strahler links neben dem Tisch an. Aus einer Schachtel nahm sie sich Latexhandschuhe und blieb eine Weile andächtig vor dem völlig verbrannten, entstellten Leichnam stehen.
»Auf jeden Fall männlich«, sagte sie wie zu sich selbst, aber so laut, dass Miller es verstehen konnte. »Scheint mir Ende vierzig, vielleicht Anfang fünfzig zu sein. Mindestens eins fünfundsiebzig groß. Ich erkenne ein paar Hämatome unter der Haut, in Form von etwa zehn Millimeter breiten Streifen an Hand- und Fußgelenken. Dem Anschein nach stramm gefesselt von etwas aus Kunststoff, den Überresten nach zu urteilen. Nylonstricke, vielleicht Kabelbinder.«
Miller trat näher heran, um Hemmings dabei zuschauen zu können, wie sie ein kleines Stück Haut vom Arm des Mannes löste, eine Schicht Bindegewebe, und sie in ein gläsernes Röhrchen gab. Sie legte die Probe in das DNS-Analysegerät, und während die Maschine ihre Arbeit tat, griff Hemmings wieder zum Skalpell.
»Tut gar nicht weh«, beruhigte sie ihr Opfer, schnitt mit der Klinge in den Fußrücken, schabte etwas geronnenes Blut ab und gab es in eine Petrischale, die sie mit einem Deckel verschloss.
»Zwei Allele«, erklärte sie, sobald sie mit der Bestimmung der Blutgruppe fertig war. Sie wirkte dermaßen konzentriert, dass es Miller für möglich hielt, dass sie ihn vergessen hatte. »Eines von jedem Elternteil, und im Falle dieses Mannes ein dominantes A und ein O.«
Miller wandte einen Moment lang den Blick ab. Die Spannung im Raum war fast mit Händen zu greifen, als drängte ein Schatten von so vielen Seiten auf einen ein, dass man nicht wusste, wer oder was ihn warf. Er musste sich einen Moment setzen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er stützte sich mit den Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände. »Ich weiß nicht mehr, warum ich hier bin«, sagte er.
Marilyn Hemmings drehte sich um und sah ihn an. »Es gibt keine verwertbaren Fingerabdrücke. Seine Hände sind so verbrannt, dass sie nichts mehr hergeben. Ich habe einfach nicht genug Material, Robert …«
Miller wollte aufstehen. Er wollte auf sie zugehen. Er wollte die verkohlten Überreste des Unbekannten aus dem Kofferraum hinter sich lassen und einfach verschwinden. Oder besser noch, die Zeit zurückdrehen und den Funkruf zu Catherine Sheridans Haus einfach ignorieren. Dann hätte jemand anderer den Ärger am Hals - aber leider war es nicht so, und jetzt hatte er den Ärger auch noch Marilyn Hemmings und Greg Reid angehängt, in gewisser Weise sogar Al Roth, weil ein Partner eines Tandems selten allein absäuft.
Die Maschine piepte. Die Datenbank CODIS hatte nichts vorzuweisen. Es wäre auch zu viel des Guten gewesen.
»Wir können also nicht herausfinden, wer er war?«, fragte Miller unnötigerweise.
»Das hätten Sie sich denken können, bevor Sie mich angerufen haben«, gab sie zurück. »Es konnte ja nur in die nächste Sackgasse führen.«
Miller sagte nichts.
»Wozu das alles?«, fragte sie.
Miller blickte zu ihr auf. »Meine Güte, Marilyn, was
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