Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Postfach … Worum geht’s denn dabei?«
»Eine Spur«, sagte Miller. »Sie können mir helfen, einer Spur in der Sache nachzugehen.«
»Echt?«
»Echt.«
»Cool … ey, ja klar … Also, ich meine, alles, was Sie wissen wollen. Wie war der Name?«
»United Trust«, sagte Miller. »Postfach 19405.«
Jay Baxter stand noch mit großen Augen da und hätte wohl gerne weitergefragt, aber er beherrschte sich, tippte brav die Nummer in den Computer ein und wartete einen Moment.
»United Trust … angemeldet auf eine United Trust Incorporated Finance, 1165 E Street, Ecke Fourteenth. Wissen Sie, wo das ist?«
»Ich werde es finden.«
»Eingerichtet von einem gewissen Donald Carvalho.« Baxter buchstabierte den Namen für Miller, der ihn aufschrieb.
»Sie haben mir sehr geholfen«, sagte Miller und stand auf.
»Kein Problem.«
Miller hielt an der Tür inne und sah den jungen Angestellten nochmals streng an. »Muss ich Ihnen erklären, was Verschwiegenheit bedeutet?«
Baxter grinste, schüttelte den Kopf und zog sich mit den Händen einen imaginären Reißverschluss vor dem Mund zu.
Miller erwiderte das Lächeln, streckte den Daumen hoch und schloss die Tür hinter sich.
Erst als er durch die Schalterhalle zum Ausgang ging, fiel ihm der Mann im Regenmantel auf.
Miller bemerkte ihn nur deshalb, weil er dem Mann aufgefallen zu sein schien. Wieder dieses Gefühl, beobachtet zu werden, als Miller an ihm vorbeiging. An der Tür drehte er sich noch mal kurz um, und als er hinaus und die Stufen hinunter auf die Straße ging, meinte er den Blick des Mannes im Rücken zu spüren.
Der Mann hatte an die Wand gelehnt dagestanden und so getan, als würde er lesen, und als Miller vorbeiging, hatte er sich aufgerichtet. Von dem im Vorübergehen erhaschten Seitenblick
hätte Miller ihn auf Mitte vierzig geschätzt, dunkles Haar mit leichtem Grauton, schwarzer Anzug, offenes weißes Hemd und hellbrauner Regenmantel.
Draußen vor dem Postamt überquerte Miller die Fahrbahn und ging bis zur Kreuzung Nineteenth und M Street, nur um zu sehen, ob der Mann im Regenmantel ihm folgte. Er war nirgends zu sehen. Miller versuchte, den Vorfall als irrelevant abzutun. Der Mann hatte sich um seine Angelegenheiten gekümmert und zufällig aufgeblickt, als Miller vorbeiging. Vielleicht hatte er Miller von den Zeitungsfotos im Zusammenhang mit dem Brandon-Thomas-Fall wiedererkannt, oder er hatte ihn mit jemandem verwechselt …
Obwohl Miller es auf diese Weise mit der Vernunft zu fassen versuchte, wuchs in ihm das Unbehagen.
Er zögerte ein paar Augenblicke, bevor er eilig zu seinem Auto ging.
56
Zu seiner Rechten das Willard Hotel, links das National Theater. Vor ihm die Freedom Plaza, das Besucherzentrum des Weißen Hauses und das Ronald Reagan Building. Noch knapp zweihundert Meter, und er wäre auf der Constitution Avenue, nur zwei Häuserblocks von der FBI-Zentrale und dem Nationalarchiv entfernt.
Detective Robert Miller pochte das Herz bis zum Hals, als er auf dem Gehweg stand und genau wusste, dass er beschattet wurde.
Er hatte ständig das Bild Carl Olivers vor Augen, wie er auf der Bahre an ihm vorbeigetragen wurde, die Sanitäter ihn ungeschickt die Treppe hinuntertransportierten. Ein ganzes Leben in einer einzigen Sekunde ausgelöscht. So schnell ging das. Marilyn Hemmings Gesichtsausdruck - nur allzu
gut erinnerte er sich auch daran. Wie sie die Hand gehoben und ein Lächeln angedeutet hatte. Eine Geste des Wiedererkennens, nicht mehr. Er hatte sie nur kurz im Vorübergehen gesehen, dann war sie wieder verschwunden.
Er erinnerte sich an das klebrige Blut auf dem Boden vor Robeys Wohnungstür. Der Ausdruck in Al Roths Gesicht wurde in ihm wieder lebendig, der Ton seiner Stimme, seine Worte: »Wenn du so weit bist, komm mal rein und sieh dir das an.«
Alles.
Überlebensgroß und hautnah.
Miller befand jetzt im Herzen des Geheimdienstbezirks, vor ihm ein schmales Gebäude. Von hier waren die Überweisungen der United Trust auf Catherine Sheridans Konto veranlasst worden. Und Don Carvalho? War das auch so einer von Robeys Tarnnamen wie Michael McCullough? War das nur ein weiteres Teilchen in dem anscheinend unendlichen Puzzle, das Robey der Welt da draußen zur Aufgabe gemacht hatte?
Miller überquerte die Straße und betrat das Gebäude durch den Haupteingang.
United Trust hatte in der Lobby des Bürogebäudes einen ganz normalen Briefschlitz, aber die Atmosphäre insgesamt war unverkennbar. Der Bau roch muffig und
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