Vergib uns unsere Sünden - Thriller
uns, aber das war nicht so und ist nicht so, weil es nämlich eine Wahrheit ist, dass alles, vor dem man wegläuft, einen irgendwann wieder einholt …
Und dann warf sie noch einen Blick auf die Post und dachte: Du dumme Kuh, warum musstest du dumme Kuh dich von irgend so einem durchgeknallten Motherfucker abmurksen lassen ?
Natasha hatte so eine Ahnung, dass sie es nicht der verängstigten Miss Antrobus überlassen sollte, die Cops anzurufen und denen wer weiß was für Geschichten zu erzählen. Für so eine hielt sie nämlich diese mit ihrem Busenfreund Jesus Christus ach so selige Miss Mulatto, und deshalb wusste Natasha, dass sie selbst bei den Cops anrufen und ihnen sagen musste, dass sie eventuell etwas wusste.
Natasha Joyce war neunundzwanzig Jahre alt. Chloes Vater war seit etwas mehr als fünf Jahren tot. Natasha hatte mit ansehen müssen, wie sein bisschen Leben mühelos durch eine Subkutan-Nadel verschwunden war. Und jetzt bekam sie es wieder mit der Polizei zu tun. Wenn Miss Antrobus bei ihnen angerufen hatte, würden sie kommen. Sie würden von ihr wissen wollen, wie Chloe das Gesicht der Frau in der Zeitung erkennen konnte. Natasha hatte noch nie lügen können. Sie würde ihnen erzählen, dass jemand zu ihnen in die Projects gekommen war, um mit Darryl King zu reden. Sie würden wissen wollen, in was für Geschichten Darryl King seine Finger gehabt, was er mit der ermordeten Frau zu tun gehabt, wieso er sie gekannt hatte. Natasha würde antworten, dass sie nicht sicher sei, ob es dieselbe Frau war. Die Angst, in die Sache verwickelt zu werden, würden sie ihr an den Augen ablesen können. Natasha hatte damals nichts wissen wollen, und sie wollte heute nichts darüber wissen. Aber eine innere Stimme sagte ihr, dass sie sich besser fühlen würde, wenn sie wenigstens ein bisschen von dem verstand, was damals passiert war. Mit guten Neuigkeiten rechnete sie gar nicht. Seit Darryl mit Heroin angefangen hatte, war keine Neuigkeit mehr gut gewesen, aber vielleicht führte es zu irgendeiner Art Abschluss. Es war eine lausige Zeit gewesen, eine verdammt lausige Zeit, aber sie gehörte zu ihrem Leben dazu. Und sie hatte ihr Chloe geschenkt, und schon deshalb konnte es nicht schaden, sie besser zu verstehen. Dann konnte sie Chloe vielleicht die Wahrheit sagen, ihrer Tochter,
wenn sie alt genug war, in die Augen schauen und ihr erzählen, dass ihr Vater nicht nur eine Zeitverschwendung gewesen war. Dass er ein Mensch gewesen war. Dass er wenigstens einmal im Leben etwas Gutes getan hatte. Und vielleicht waren diese Leute ganz in Ordnung gewesen. Vielleicht hatten sie Darryl helfen wollen. Oder er hatte ihnen geholfen. Vielleicht hatte er versucht, sich aus diesem Leben zu befreien, und diese Leute hatten ihm eine Chance geben wollen.
Aber vielleicht war das auch kompletter Unsinn.
Vielleicht waren diese Leute nur schicke Großdealer gewesen, aus Capitol Hill herabgestiegen, um mit dem Niggervolk anzubandeln. Und jetzt war die Frau ermordet worden. Diese Catherine Sheridan. Und wenn sie die Frau war, die damals nach Darryl gefragt hatte, dann war sie womöglich von dem Typen umgebracht worden, den sie damals dabeihatte. Vielleicht waren sie über einen Deal in Streit geraten, und er hatte sie grün und blau geschlagen und erwürgt. Vielleicht hatte er vorher auch die anderen drei Frauen ermordet, oder er hatte die Sheridan auf ähnliche Weise ermordet wie die anderen, um dem Schnurmörder die Tat in die Schuhe zu schieben …
Das wäre ein kluger Schachzug, dachte Natasha.
Sie wusste, dass sie die Cops anrufen, ihnen erzählen musste, wer sie war und wo sie gelebt hatte, dass die tote Frau aus der Zeitung vor fünf Jahren gekommen war und nach Darryl gefragt hatte, dass es da vielleicht einen Zusammenhang gab …
Sie musste ihnen erklären, dass Darryl King verschwunden und schließlich tot aufgefunden worden war und dass sie immer noch nicht wusste, was damals eigentlich passiert war.
Natasha nahm die Zeitung, riss die Titelseite heraus und warf sie in die Spüle. Dann hielt sie ein Feuerzeug an das Papier und sah zu, wie es sich in schwarzes Herbstlaub verwandelte.
Es schwelte vom Rand nach innen - langsam, geduldig, der Qualm brannte in den Nasenlöchern.
Als Letztes verschwand das Gesicht der Frau, und ganz zum Schluss die kalten, leblosen Augen, die Natasha Joyce anschauten, als sei sie irgendwie verantwortlich für ihren Tod.
6
Robert Miller und Al Roth standen im Verkaufsraum des Pizzaservice
Weitere Kostenlose Bücher