Vergib uns unsere Sünden - Thriller
voraus in die kleine Küche, bot ihnen die Stühle auf beiden Seiten des noch kleineren Tischs an und lehnte sich selbst mit dem Rücken an die Spüle, umklammerte die Chromkante mit beiden Händen - die Knöchel weiß wie in böser Vorahnung. Sie schaute zur Seite und räusperte sich, bevor sie sich an Miller wandte, weil er als Erster eingetreten war und das Wort ergriffen hatte. Und auch wenn er jünger war als Roth, sah man seinem Gesicht an, dass er sehr viel mehr Leben hinter sich hatte. Jedenfalls erkor Natasha Joyce Robert Miller zum Chef des Tandems und wandte sich an ihn, wenn sie etwas sagte. »Also, was wollen Sie wissen?«, fragte sie.
»Wir haben einen Anruf bekommen«, sagte Miller. Er sah Natasha Joyce dabei aufmerksam an. Das Leben, so schien es ihm, hielt nur Enttäuschungen für sie bereit. Sie war hübsch, trug das Haar auf einer Seite zu schmalen Zöpfen geflochten, auf der anderen lang, mit einer Klammer zurückgesteckt. Aber es war etwas in ihrem Blick. Sie erinnerte Miller an eine andere junge Frau, der er mal zu helfen versucht hatte.
Natasha war nervös, schien sich nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen. Ihr T-Shirt war stark durchgeschwitzt. Auf der Küchentheke lagen Gummihandschuhe, es roch nach Desinfektionsmittel. Sie war bei der Hausarbeit gewesen.
»Von Chloes Lehrerin in der Sonntagsschule, richtig? Miss Antrobus?«
Miller schüttelte den Kopf. »Ihren Namen hat sie uns nicht verraten.«
»Aber sie war es. Sie hat mich gestern angesprochen, als ich meine Tochter abgeholt habe. Hab mir schon gedacht, dass sie euch anruft.« Natasha rang sich ein Lächeln ab, dann lachte sie auf. »Dabei wollte ich selber anrufen. Verfluchter Mist, warum hab ich nicht selber angerufen? Jetzt sieht es wohl etwas eigenartig aus, oder?«
»Worum geht es, Miss Joyce?«, fragte Miller.
Natasha schien die Frage zu überhören. Sie schüttelte den Kopf und redete weiter. »Dieses verängstigte Huhn, sie ist so ein verängstigtes Huhn. Ich? Ich glaube, es kommt von ihrem gemischten Blut, halb und halb, verstehen Sie? Weder schwarz noch weiß … Ganz schön beschissen, wenn keiner einen will. Muss der Wahnsinn sein.«
»Sie hat uns ihren Namen nicht verraten«, wiederholte Miller, »und es war keine Beschwerde über Sie oder Ihre Tochter oder irgendwen, Miss Joyce. Die Anruferin schien mir einfach den Eindruck zu haben, dass Sie etwas über Catherine Sheridan wissen könnten, die Frau, die am Samstag ermordet wurde …«
»Die hieß nicht so«, fiel Natasha ihm ins Wort, als könnte sie an dieser Stelle einen Punkt gegen die verfluchten weißen Cops machen. »Die hieß anders, und ich glaube auch nicht, dass es dieselbe Frau war … Aber sie war auf einmal da, und ein paar Wochen später war Darryl tot.«
Miller legte die Stirn in Falten. »Tut mir leid, aber da komme ich nicht ganz mit. Sie sagen, so hieß sie nicht?«
»Sheridan. Catherine Sheridan. So hieß die nicht, als sie mit diesem Freak hier aufgekreuzt ist, um mit Darryl zu reden.«
»Darryl?«
»Chloes Vater. Darryl King. Er war mein Freund, mein Mann, verstehen Sie? Er war Chloes Vater.«
»Und jetzt ist er tot?«
»Ja, 2001 ist er gestorben.«
»Das tut mir leid«, sagte Miller verständnisvoll, um gleich wieder dienstlich zu werden. »Und diese Frau, die Frau, die ermordet worden ist, die ist in Begleitung eines Mannes gekommen, um mit Darryl zu reden?«
»Mein Gott, ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll. Damals ist eine Frau hier gewesen, um mit Darryl zu reden. Sie hatte Ähnlichkeit mit der Frau in der Zeitung. Sie ist zusammen mit einem Mann gekommen, ein paarmal, soweit ich das beurteilen kann. Mit mir haben sie nur einmal geredet, aber gesehen hab ich sie zwei- oder dreimal. Dass sie ihn suchen, haben sie zu mir gesagt, und ob ich weiß, wo er ist? Shit, er war damals auf dem Weg nach Süden - ganz nach Süden, verstehen Sie? Ich weiß nicht, wie viel er von dem Zeug genommen hat.«
»Zeug?«
»Heroin. Darryl war ein Junkie, Mister, ein knallharter professioneller Junkie vor dem Herrn … Sie können also herkommen und mich über diese Frau ausfragen, und vielleicht war es dieselbe Frau, und ich hab sie vor fünf Jahren
gesehen, aber was sie von Darryl wollte und was Darryl mit solchen Leuten zu schaffen hatte, das weiß der Geier. Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Der einzige Grund, warum ich mit Ihnen rede - und ich hätte Sie auch angerufen, wenn diese Kuh sich nicht
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