Vergib uns unsere Sünden - Thriller
King, geboren am vierzehnten Juni 1974, verhaftet am Donnerstag, den neunten August 2001, wegen Kokainbesitz. Fall-Nummer 077-435-13.«
»Du machst Witze!«
Roth schüttelte den Kopf. »Nein, im Ernst. Sieh her … Darryl King …« Er rollte zurück, damit Miller einen freien Blick auf den Bildschirm hatte. »Aktenzeichen 077-435-13. Darryl E. King.«
Miller schwieg für einen Moment, Fassungslosigkeit raubte ihm die Worte. »Ich glaub’s nicht«, sagte er leise. »Das gibt es doch gar nicht.« Wieder verstummte er, schüttelte den Kopf, überflog den Bildschirm, versuchte die Bedeutung dessen,
was da vor seinen Augen stand, zu erfassen. »Wo war das?«, fragte er schließlich.
»Siebtes Revier.«
»Wer hat ihn verhaftet?«
»Die Festnahme erfolgte durch einen Sergeant Michael McCullough … Kennst du den?«
Miller schüttelte den Kopf. »Wie ging es weiter?«
Roth klickte die nächste Seite an. »Noch am selben Tag auf freien Fuß gesetzt, acht Stunden später. Keine formale Anklage.«
Miller runzelte die Stirn. »Wieso keine Anklage? Mit wie viel Stoff hat man ihn verhaftet?«
»Drei Gramm - dreieinhalb, um genau zu sein.«
»Dann war er ein V-Mann, entweder das, oder er hat diesem McCullough einen Gefallen getan. Vielleicht hat er ihm seinen Dealer geflüstert oder so was.«
»Wäre er ein V-Mann gewesen, hätte die Akte ein Fähnchen«, sagte Roth und spürte, wie schwer das zu glauben war. Er runzelte die Stirn und beugte sich vor, um die kleine Schrift besser lesen zu können.
Miller lächelte hintersinnig. »Haben wir etwa nicht das modernste und elaborierteste Karteisystem der Welt?«
»Fragen wir diesen McCullough doch einfach selber.«
»Sieh mal nach … ist er noch im Siebten?«
Roth schloss die Akte King, öffnete eine andere Datei, gab McCulloughs Namen ein, wartete eine Weile. Dann wandte er sich zu Miller um, der mit dem Rücken zum Raum am Fenster stand. »Abgang.«
Miller drehte sich um. »Wie Abgang? Aus dem Leben geschieden?«
»Nein, aus dem Department. Im März 2003.«
»Nach wie vielen Jahren?«
»Moment … 1987. Das macht dann … sechzehn Jahre?«
Miller nickte. »Die Zwanzig-Jahre-Pension hat er sausen
lassen. Himmelarsch, was muss das für’n Idiot sein, den Dienst so kurz vor Erreichen der Pensionsgrenze zu quittieren? Das ist’n Batzen Geld, den er sich nach sechzehn Dienstjahren durch die Lappen gehen lässt.«
»Vielleicht ist er gegangen worden«, gab Roth zu bedenken.
Miller zuckte die Achseln. »Wer weiß das schon. Ist auch nicht so wichtig. Hauptsache, wir finden ihn. Wir müssen mit ihm reden. Das ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem Mord an Catherine Sheridan und einer früheren Festnahme.« Er blickte zum Fenster und schüttelte den Kopf. »Mann«, sagte er, mehr Ausdruck des Erstaunens als etwas anderes. »Wir müssen diesen McCullough finden … Die sollen Metz darauf ansetzen, und jeden, der nichts Wichtigeres zu tun hat.« Miller durchquerte den Raum und setzte sich an den Schreibtisch. »Also, was haben wir? Chloe Joyce will die Sheridan wiedererkannt haben. Wir erfahren, dass die Sheridan vor fünf Jahren in ihrer Sozialsiedlung aufgetaucht ist, um mit Darryl King zu reden. Mit dem können wir nicht mehr reden, weil er tot ist. Und etwa zwei Monate vor seinem Tod ist er von einem gewissen Sergeant McCullough vom Siebten Revier festgenommen worden. Das Aktenzeichen des Falls stimmt mit der Zahl überein, die Catherine Sheridans Mörder im Pizza-Service hinterlassen hat …«
»Vielleicht war McCullough der Kerl, der zusammen mit der Sheridan in den Projects aufgetaucht ist?«
Miller schüttelte den Kopf. »So weit würde ich nicht gehen. Meine erste Frage ist, warum Catherine Sheridan eigentlich mit Darryl King reden wollte, nicht nur einmal, sondern zwei-, vielleicht dreimal. Und wir wissen nur von den Malen, als sie ihn nicht gefunden und bei der Joyce nachgefragt hat.«
»Meinst du, Catherine Sheridan war süchtig?«
»Die Antwort weiß die Gerichtsmedizinerin«, sagte Miller und zog sein Jackett von der Rückenlehne des Stuhls. Er verstand das alles nicht. Natasha Joyce hatten sie verängstigt und verärgert in ihrer Wohnung zurückgelassen. Von ihr hatte er den Namen eines Toten erfahren, und dieser Tote erwachte in einem fünf Jahre alten Fall wieder zum Leben. Die Pizza-Nummer war keine Telefonnummer, sondern das Aktenzeichen eines Falls, und das war eine Spur, heißer als alle anderen bis jetzt, und es machte ihn
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