Vergib uns unsere Sünden - Thriller
gekommen sei.
»Mein Universitätsprofessor«, sagte ich. »Und Sie?«
»Mein Vater war von Anfang an dabei.«
»Bei der CIA?«
»Mit Leib und Seele«, erwiderte sie. Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück, schob die Kaffeetasse beiseite. »Er war
von der ersten Stunde an hier, war nach Kriegsende aus der Armee zum Office of Strategic Services gekommen. Das OSS war 1942 unter Roosevelt gegründet worden.« Sie lächelte, wischte sich mit der Fingerspitze eine verirrte Locke von der Augenbraue. »Haben Sie gewusst, dass wir zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die einzige Großmacht ohne eigenen Geheimdienst waren?«
»Nein, das habe ich nicht gewusst.«
»Roosevelt hat Gott weiß wie lange gebraucht, die Präsidenten-Verfügung zu erlassen. Lange hatte er sich dem Gedanken widersetzt und erst unter Druck nachgegeben. Die Leitung der Organisation übertrug er einem Mann namens William Donovan, einem Kriegshelden des Ersten Weltkriegs. Sie bestand drei Jahre lang, unter Truman brach sie auseinander. Aber in der Schweiz hatten sie einen Mann sitzen, einen gewissen Alan Dulles, der Gefallen am Sammeln von Informationen gefunden hatte und sich dafür einsetzte, eine Informationszentrale am Leben zu erhalten.«
»Von Dulles hab ich gehört, von Donovan weniger«, sagte ich.
»Donovan war der Mann, der Stützpunkte in Großbritannien, Algerien, der Türkei, Spanien, Schweden eingerichtet hat … Er hat sogar eine Art regelmäßige Verbindung zum NKDW in Moskau unterhalten. Nach der Auflösung des OSS war niemand mehr da, um die Stützpunkte am Leben zu erhalten - bis Truman im September 45 der CIA seinen Segen gab. 1953 wurde Dulles schließlich die Leitung übertragen, Donovan wurde Botschafter in Thailand, hatte 57 einen Schlaganfall, der ihn um den Verstand brachte, und starb 1959.«
Ich musste lächeln, beinahe lachen.
»Was ist?«, fragte Catherine Sheridan.
»Ich komme mir vor wie in einem Dokumentarfilm.«
Sie lachte. Ihr Lachen klang wunderbar. Als wäre sie der realste Mensch, dem ich je begegnet war. »Kennen Sie den Witz mit dem Kaninchen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»CIA, FBI und das Los Angeles Police Department streiten sich darüber, wer am schnellsten Verbrecher dingfest machen kann. Um sie auf die Probe zu stellen, setzt der Präsident ein Kaninchen im Wald aus …«
Ich runzelte die Stirn. »Ein Kaninchen im Wald?«
Sie hob die Hand. »Es ist ein Witz. Hören Sie einfach zu, okay?«
»Okay«, sagte ich. »Der Präsident setzt ein Kaninchen im Wald aus.«
»Das FBI geht rein. Nach zwei Wochen ohne eine Spur brennen sie den Wald nieder, töten alles, machen keine Gefangenen. Dem Präsidenten berichten sie, das Kaninchen hätte es nicht anders gewollt. Das LAPD geht rein …«
»Moment … Sie sagen doch, der Wald ist niedergebrannt und das Kaninchen tot.«
»Du lieber Gott, langsam verstehe ich, dass Don Carvalho einen Narren an Ihnen gefressen hat. Hören Sie doch einfach dem Witz zu.«
»Erzählen Sie weiter. Tut mir leid. Das LAPD geht also rein …«
»Richtig. Das LAPD geht rein. Drei Stunden später zerren sie einen Bären ans Tageslicht, böse zugerichtet, die Hände über dem Kopf, brummt er: ›Okay, okay, ich bin ein Karnickel, in Gottes Namen … Ich bin ein verdammtes Karnickel. ‹ Der Präsident schickt die CIA rein. Sie setzen überall im Wald Tiere als V-Leute aus. Die verhören alle pflanzlichen und mineralischen Zeugen. Drei Wochen später, nach Einsatz von elfhundert Agenten und viereinhalb Millionen Dollar, legen sie einen fünfundfünfzig Seiten starken Bericht vor, in dem der schlüssige und nicht widerlegbare Beweis geführt
wird, dass das Kaninchen nie existiert hat, ja, dass es eine solche Spezies nie gegeben hat.«
Ich lachte schon, bevor sie fertig war, nicht, weil ich es lustig fand, sondern weil es die Wahrheit war.
Eine halbe Stunde, zwei Tassen Kaffee und ein halbes Päckchen Lucky Strikes später fragte mich Catherine Sheridan, ob ich in Langley bleiben wollte. Sie hatte keine Ahnung, wer ich war. Ich erzählte ihr, was sie meiner Ansicht nach hören wollte, ohne ihr eine präzise Antwort zu geben. Sie sollte hineinlesen können, was sie wollte.
»Und Sie?«, fragte ich.
Sie zögerte nicht. Mir gefiel diese Qualität. Sie sollte sie bis zum Schluss behalten. Noch im Augenblick ihres Todes - bei allem, was wir wussten, nach unserer langen Geschichte - zweifelte sie nicht daran, dass wir das Richtige getan hatten.
»Ja«, sagte sie. »Ich
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