Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
Vom Netzwerk:
als Vidar einem Musikerkumpel bei der Suche nach einem Proberaum helfen wollte, meinte Tore, dass er da was organisieren könnte. Als Vidar nachhakte, ob Tore sich darum gekümmert hätte, sagte der, es wäre alles in trockenen Tüchern. Aber als der Typ kam, um zu proben, war der Raum schon vergeben. Der Kerl, dem der Raum gehörte, hatte nie eine Anfrage von Tore bekommen.« Sie schüttelt den Kopf. »Solche Leute machen mich rasend.«
    Henning nickt. Der Schritt von den kleinen zu den großen Lebenslügen ist nicht lang, denkt er. Das Gefühl, dass Pulli ihn nur benutzen will, meldet sich wieder.
    »Kennen Sie Robert van Derksen?«
    Irene Otnes schnaubt verärgert.
    »Haben Sie sein Facebook-Profil gesehen?«
    »Ich bin nicht bei Facebook.«
    »Er hat einen Haufen Bilder von sich mit nacktem Oberkörper hochgeladen, ordentlich eingeölt.«
    Sie schneidet eine Grimasse.
    Er denkt an die Bilder von van Derksen auf www.hardfists.no . »Der setzt sich gerne in Szene, nicht wahr?«
    »Das kann man laut sagen. Und er ist ein totaler Frauenheld. Selbst bei mir hat er es versucht.« Irene Otnes wirft Henning einen raschen Blick zu, als würde sie erwarten, dass er sagt: »Das ist doch nicht weiter verwunderlich« oder so was in der Art, aber Henning kann sich nicht dazu aufraffen.
    Als sie ihre Unterhaltung wenig später beenden, denkt Henning, dass Irene Otnes zwar noch immer verbittert wirkt, aber zugleich eine gewisse Ausgeglichenheit ausstrahlt. Da war kein Hass in ihren Augen, als sie von Tore gesprochen hat. Oder von Jocke. Auf jeden Fall scheint sie aber jemand zu sein, dem man besser keine Geheimnisse anvertraut. Wenn sie tatsächlich etwas über Jockes Mörder wüsste, hätte sie garantiert mit irgendjemandem darüber geredet. Erst recht, wenn sie damit eine Million Kronen verdienen könnte.
    Der Nachmittag ist angenehm warm, und Henning beschließt, zu Fuß zurück nach Grünerløkka zu laufen. Der Spaziergang dauert etwa eine Stunde. Zu Hause stellt er sich lange unter die Dusche. Dann isst er eine Scheibe Brot mit Marmelade, während er seinen Mail-Account checkt und die hundertachtundzwanzig E-Mails überfliegt, die er bekommen hat. Heidi Kjus hat mehrere Sammelmails verschickt. Anweisungen und Betätigungsfelder. Mit energischem Druck auf die Taste Löschen lässt Henning sie verschwinden und fühlt sich gleich etwas besser. Noch besser geht es ihm, als er eine Mail aus dem Osloer Gefängnis entdeckt.
    Von: Knut Olav Nordbø [ [email protected] ]
    Betreff: »Antrag – Tore Pulli«
    An: Henning Juul [ [email protected] ]
    Ihr Besuchsantrag ist fertig bearbeitet und bewilligt.
    Wegen der anstehenden Verhandlung herrscht großer Medienandrang, aber Tore hat ausdrücklich betont, dass er Sie so schnell wie möglich treffen möchte. Wenn es Ihnen also bereits morgen – Dienstag – passen würde, könnten Sie ihn um 10 Uhr treffen.
    MfG
    Knut Olav Nordbø
    PR-Beauftragter, Oslo Gefängnis
    Morgen, denkt Henning und nickt zufrieden. Vielleicht bekommt er dann, endlich, eine Antwort.
    26
    Die Aftenposten liegt auf der Matte vor der Wohnungstür. Thorleif hebt sie auf, blättert rasch durch den Nachrichtenteil und überfliegt dann die Kultur- und Wirtschaftsseiten, die letzte Seite und die Lokalnachrichten, kann aber keine Bürgerinterviews entdecken. Er blättert die Zeitung noch einmal Seite für Seite durch, für den Fall, dass die Müdigkeit ihm einen Streich spielt, kommt aber zu demselben Resultat.
    Dann geht er zu Elisabeth ins Schlafzimmer.
    »Bist du sicher, dass es Aftenposten war?«
    »Hm?«, stöhnt sie unter der Decke.
    » Aftenposten ? Ich kann dein Interview nicht finden.«
    Elisabeth klappt die Decke zur Seite und sieht ihn an. Ihre Augen sind zwei Striche. »Hast du richtig geguckt?«, nuschelt sie.
    »Ich hab das Scheißteil zweimal durchgeblättert.« Er reicht ihr die Zeitung.
    Elisabeth setzt sich auf und beginnt selbst zu blättern.
    Thorleif spürt seinen Kaffeedurst, geht in die Küche, steckt eine Tüte in den Filter, füllt Kaffee hinein und gießt Wasser auf.
    Kurz darauf kommt Elisabeth in die Küche geschlurft. »Ich hab auch nichts gefunden«, sagt sie und gähnt.
    »Und du bist wirklich sicher, dass es Aftenposten war?«
    Elisabeth denkt nach. »Ziemlich. Aber vielleicht nicht für die heutige Ausgabe. Wahrscheinlich kommt es morgen. Diese Interviews sind ja nicht jeden Tag drin.«
    Es ist möglich, dass sich eine Menge verändert hat, seit Thorleif selbst auf der Jagd

Weitere Kostenlose Bücher