Vergiftet
doch nichts Ungewöhnliches, oder?«
»Nein, vielleicht nicht. Aber wir haben vor seiner Wohnung Fußabdrücke in Ihrer Schuhgröße gefunden.«
Holte hebt den Kopf, ein entsetztes Zucken geht über sein Gesicht. »Die sind ganz sicher nicht von mir«, sagt er wütend.
Brogeland antwortet nicht, er sitzt einfach nur da und sieht Holte ein paar Sekunden lang an. Die Luft wird immer stickiger.
»Okay«, sagt Brogeland und steht auf. »Bleiben Sie bitte sitzen.« Er geht zum Computertisch, schaltet die Aufnahme auf Pause, verlässt den Verhörraum und geht in die Kommandozentrale. Arild Gjerstad und Emil Hagen sehen ihn an, als er hereinkommt.
»Was glaubt ihr?«, fragt Brogeland.
»Das reicht auf jeden Fall für einen vorläufigen Haftbefehl«, antwortet Gjerstad.
107
Hausdurchsuchungen waren noch nie Bjarne Brogelands Ding. Schubladen und Regale zu durchsuchen und Schränke und Bettzeug zu durchwühlen, um endlich das entscheidende Detail zu finden, das einen Verdächtigen zu Fall bringt oder entlastet. Brogeland bezweifelt die Wichtigkeit dieser Arbeit nicht, ganz und gar nicht, in der Regel ist er aber froh, wenn er damit nichts zu tun hat. Er wird dabei schnell ungeduldig und mürrisch.
Draußen auf der Straße war das etwas ganz anderes. Da mussten sie geduldig sein, wenn sie Verbrecher schnappen wollten. Aber die Arbeit dort findet auf einem ganz anderen Spannungsniveau statt. Einem Fahnder geht es darum, Straftäter aus der Distanz auf frischer Tat zu beobachten, ihre Interaktionen zu studieren und ihre Verhaltensweisen und Codes zu lernen. Wer liefert wem was, und wo gehen die Deals über die Bühne? Wer redet mit wem, und wann treffen sich die betreffenden Personen? Hat man Antworten auf diese Fragen, kann man Muster erarbeiten, die sich als Ausgangspunkte für weitere Operationen nutzen lassen. Das ist greifbar und sinnvoll – aber technische Spuren in einer Wohnung, Faserrückstände auf einer Leiche? Diese Dinge sind ihm einfach zu filigran. Zu feminin.
Trotzdem nimmt er an der Durchsuchung von Petter Holtes Wohnung teil, weil Holte sein Fall ist. Seine Informationen haben zur Festnahme des Mannes geführt, und das nahezu in Rekordgeschwindigkeit. Und was sie in Holtes Wohnung finden, ist mehr als ausreichend, um ihm den Mord an Robert von Derksen nachzuweisen. Auch deshalb geht Brogeland zufrieden wieder zurück in sein Büro und lässt sich schwer auf den Stuhl plumpsen. Er holt sein Handy hervor und stellt fest, dass er eine ganze Reihe von Anrufen und SMS erhalten hat. Es sind bekannte und unbekannte Nummern darunter. Brogeland braucht gar nicht erst ins Internet zu gehen, die Vielzahl der Anrufe verrät ihm, dass Henning Juul die Nachricht über Robert van Derksen als breaking news gebracht hat.
Einen Moment lang hat er den fahlen Geschmack der Illoyalität auf der Zunge. Nøkleby und Gjerstad wollten den Informationsfluss persönlich kontrollieren, wogegen Brogeland im Prinzip nichts einzuwenden hat. Außerdem ist er froh, wenn andere sich dieser Aufgabe annehmen. Bei Juul ist die Sache trotzdem anders. Auch wenn der Mann mitunter eine schrecklich nervige Klette ist, hat er doch immer wieder den richtigen Riecher. Und geht es am Ende nicht doch nur um das Resultat? So wie jetzt?
Brogeland scrollt sich durch die SMS und sieht, dass Juul um Rückruf gebeten hat. Er blickt auf die Uhr, er muss das Verhör mit Holte fortsetzen und sollte sich zuvor noch etwas vorbereiten. Einen kurzen Anruf schaffe ich trotzdem, denkt er. Sekunden später hört er Hennings Stimme.
Brogeland informiert ihn über die Festnahme und die kurz bevorstehende Anklageerhebung gegen Petter Holte, bittet aber darum, dass noch nichts davon an die Öffentlichkeit gerät.
»Seid ihr wirklich sicher, dass Holte euer Täter ist?«, fragt Juul.
»Wir haben eine Waffe bei ihm gefunden, die mit höchster Wahrscheinlichkeit gestern abgefeuert wurde.«
»Ach ja, und was sagt er dazu?«
»Wir haben ihn noch nicht mit dem Fund konfrontiert. Aber auch die anderen Beweise wird er kaum entkräften können.«
»Was für Beweise?«
Brogeland zögert ein paar Sekunden, ehe er ihm von der Erde in den Treppenaufgängen und dem Schuhabdruck Größe vierzig erzählt. Als Brogeland fertig ist, wird es still.
»Was ist?«, fragt er.
»Ich finde, dass sich das alles ziemlich merkwürdig anhört …«
»Wieso?«
»Warum sollte Holte es euch so leicht machen? Außerdem glaube ich, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Jocke
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