Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
sie.
»Das bin ich .« Er zeigte auf das Foto, und ich betrachtete einen viel jüngeren Malky. Doch die grünen Augen waren unverkennbar. Der grüblerische Tiefgang wurde durch ein angedeutetes Lachen gemildert.
»Wow«, murmelte ich und las, was am unteren Bildrand stand. Malky, die Single Smoking Letters, Oktober 2004.
»Wenn Sie wollen, signiere ich die Karte«, bot er mir an.
»O ja, bitte«, sagte ich hastig. Jetzt wirkte sein Selbstvertrauen nicht mehr so überzeugend, eher wie eine Maske, die seinen Kampf um den ersehnten Erfolg verbergen sollte. Seltsamerweise fand ich ihn dadurch noch attraktiver. Er zeigte mir seine Verletzlichkeit, und weil ich seit ein paar Wochen auch verletzlich war, wollte ich seine Hand festhalten und ihm versichern, dass alles gut werden würde. Und dann vielleicht … Nein, so ein Mädchen war ich nicht . Zumindest war ich’s bisher nicht gewesen. Aber wer würde ich nach dem Projekt unpassende Männer sein? Statt Malkys Hand zu ergreifen, steuerte ich die Bar an, in der klassischen britischen Tradition, Gefühle mittels Alkohol auszudrücken.
Als ich mit den Getränken an den Tisch zurückkehrte, hatte sich Malkys Stimmung gebessert. Er schwenkte die signierte Karte durch die Luft, und ich verstaute sie in meiner Handtasche.
»Prost!«, rief er und hob sein Bier. »O Gott, Rory, tut mir leid. Wenn ich über meine Musik rede, gehen die Emotionen mit mir durch. Manchmal übertreibe ich’s ein bisschen.«
Wieder einmal schenkte er mir dieses flehende Lächeln, das ich gerührt erwiderte. Er war ganz anders als alle Männer, die ich vorher kennengelernt hatte. Eben noch fröhlich, im nächsten Moment wütend und leidenschaftlich. Und auf brillante Weise unpassend. Hatte Ticky mir nicht geraten, mit einem Künstler auszugehen, der in selbstquälerischer Verzweiflung versank ? Das musste sie gemeint haben: kreatives Temperament, wechselnde Launen. Er besaß weder Teddys tadellose Manieren noch sein Vermögen oder seine Körperfülle. Aber dieser unpassende Mann war viel aufregender. Und attraktiver.
Nach drei weiteren Drinks amüsierten wir uns schon viel besser. Sogar die weibliche Osterinselstatue schaute lächelnd zu uns herüber, als wir kichernd die Köpfe zusammensteckten. Malky war fasziniert von Tante Lyds Pension. Vielleicht erkannte er in dem Schauspieler und der Schauspielerin, die dort lebten, verwandte Künstlerseelen. Unentwegt fragte er nach Einzelheiten über die Bewohner, derzeitige und frühere. Er erinnerte sich an meine Tante in Diese Devereux Girls . Geradezu köstlich imitierte er die an den Rollstuhl gefesselte Ma Devereux, indem er auf einem Holzhocker über den Teppich rutschte. Dann schlug er mir vor, draußen auf dem Common den berühmten Schlammringkampf der Schwestern nachzuspielen. Aber das redete ich ihm aus.
Bei jeder Geschichte, die wir uns erzählten, rückten wir näher zueinander. Als er einen Arm auf die Lehne meines Sessels legte, fühlte es sich ganz natürlich an. Diesmal fiel es mir nicht schwer, die Anzeichen zu erkennen. Die extravaganten Wimpern, die seine hypnotischen Augen umrahmten, ließen mich fast neidisch werden, und ich schaute so lange hinein, dass ich zu reden vergaß.
»Verschwinden wir?«, flüsterte Malky, nachdem wir uns scheinbar stundenlang angestarrt hatten.
Wir standen auf und gingen zur Tür. Obwohl ich mich nicht zu ihm umdrehte, spürte ich ihn so dicht hinter mir, als wären wir aneinandergefesselt. Sobald wir draußen waren, zerrte er mich neben dem Pub in eine dunkle Gasse und stieß mich an eine Mauer. Natürlich hätte ich diesen unpassenden Mann abwehren müssen.
Aber wir klammerten uns beinahe aggressiv aneinander. Er zog meine Handgelenke über meinen Kopf nach oben und küsste mich. Schmerzhaft presste er mich an die rauen Ziegel. Er hatte sich nicht rasiert, seine Bartstoppeln zerkratzten mein Kinn. Ich küsste nicht nur einen anderen Mann als Martin, ich küsste eine ganz andere Spezies.
Plötzlich stellte ich mir vor, was Martin denken würde, wenn er jetzt beobachten könnte, wie ich betrunken mit einem Fremden knutschte. Ich öffnete die Augen und sah, dass Malky und ich neben völlig unromantischen Mülltonnen übereinander hergefallen waren. Fand ich das aufregend oder beängstigend? Eher schmutzig …
Ich zog meinen Mantel enger um die Schultern. »Jetzt sollte ich gehen«, wisperte ich.
»Kann ich mitkommen?« Malkys lockiges Haar streifte meine Wange, und er küsste mich noch
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