Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Beerdigung. Es war ein strahlender Sonnentag, was mir wieder so unpassend vorkam. Ich hatte gehofft, dass es regnen würde – die Nacht zuvor war kalt und bedeckt gewesen, aber ich hatte trotzdem mit dem Hund auf der Eingangstreppe gesessen, bis meine Füße eiskalt waren.
Ich konnte es nicht fassen, wie leer das Haus jetzt wirkte und wie hilflos wir alle waren und nicht wussten, was wir ohne Dad mit uns anfangen sollten. Warren war zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, nicht in der Lage zu lesen. Stattdessen verbrachte er ganze Tage auf dem Tennisplatz, schlug die Bälle, so hart er konnte, gegen die Wand und kam dann müde und erschöpft nach Hause. Mein Großvater beschäftigte sich mit Schnitzen und machte lange Spaziergänge mit dem Hund. Wenn er wiederkam, hatte er immer eine ganz rote Nase und klang heiser, und der Hund war völlig fertig. Gelsey wollte seit jenem Morgen nicht mehr allein bleiben, sodass wir viel Zeit zusammen verbrachten. Über das, was passiert war, sprachen wir nicht, aber irgendwie half es mir, sie zu sehen und zu wissen, dass ich nicht die Einzige war, die das alles durchmachen musste. Meine Mutter war seit Tagen mit Organisieren beschäftigt – Trauerfeier, Sarg, Blumen – und machte irgendwie den Eindruck, als ob sie mit allem besser klarkam als wir anderen. Aber am Morgen hatte sie nach dem Duschen mit nassen Haaren draußen auf der Veranda gesessen und geweint. Eigentlich hätte ich mich am liebsten wieder umgedreht, damit ich sie so nicht sehen musste, aber ich zwang mich, zu ihr hinauszugehen und mich neben sie zu setzen. Wortlos nahm ich ihr den Kamm aus der Hand und kämmte ihr im Sonnenschein die Haare. Als ich fertig war und die losen Haare für die Vögel in den Wind flattern ließ, hatte meine Mutter aufgehört zu weinen. Eine Weile saßen wir einfach nur schweigend Schulter an Schulter und lehnten uns aneinander.
Die kleine Kapelle von Lake Phoenix war bis auf den letzten Platz besetzt. Zu Hause in Connecticut würde es noch einen größeren Gedenkgottesdienst geben, sodass ich erstaunt war, wie viele Leute gekommen waren. Ich stand in dem von meiner Mutter geliehenen schwarzen Kleid neben der ersten Sitzreihe und sah zu, wie die Kirche sich mit all den Menschen füllte, denen mein Vater etwas bedeutet hatte: Wendy mit ihrer Mutter, Fred und Jilian, Dave Henson (bei dem er immer Lakritz gekauft hatte), Lucy mit ihrer Mutter, Angela aus dem Diner, die Gardners, das gesamte Team vom Strandimbiss (Leland hatte sich sogar die Haare gekämmt).
Der Pfarrer war von der Musikauswahl, die wir auf einer CD zusammengestellt hatten, nicht sonderlich begeistert gewesen – mit der Mischung von Oper bis Jackson Browne war sie auch tatsächlich ein bisschen unkonventionell. Aber ich hatte das Gefühl, dass Dad es sich genauso gewünscht hätte. Auch mit dem Hund hatte der Pfarrer ein Problem, aber mein Großvater hatte ihm erzählt, dass er aus gesundheitlichen Gründen auf den Hund angewiesen war, und jetzt hockte Murphy mucksmäuschenstill zu seinen Füßen unter der Bank.
In der ersten Bankreihe saß nur unsere Familie: Gelsey in einem älteren schwarzen Kleid von mir, Warren in einem Anzug, in dem er viel jünger wirkte. Mein Großvater trug seine Marine-Uniform, die vermutlich einer der Gründe dafür war, dass der Pfarrer ihm nicht widersprochen hatte. Neben mir saß meine Mutter und hielt ein Taschentuch von meinem Vater ganz fest in der Hand. Mir fiel auf, dass wir in unserer Reihe einen Platz freigelassen hatten, so als ob er gleich noch kommen würde und nur noch schnell einen Parkplatz suchte. Ich konnte es immer noch nicht richtig begreifen, dass der leblose, von Blumen umgebene Körper in dem Sarg da vorn mein Dad war.
Der Pfarrer nickte meiner Mutter zu, und der Gottesdienst begann. Ich ließ die Worte an mir vorbeirauschen ohne zuzuhören, weil ich nichts von Asche und Staub hören wollte, wenn es dabei um meinen Vater ging. Danach sprach mein Großvater – davon, wie Dad in seinen jungen Jahren war und wie stolz er immer auf ihn sein konnte. Als meine Mutter das Wort ergriff, gab ich es auf, die Tränen zurückhalten zu wollen. Danach sagte Warren noch kurz etwas und las einen Abschnitt aus dem Gedicht von T.S. Eliot vor, das mein Vater so sehr gemocht hatte.
Obwohl ich mich ursprünglich nicht zu Wort melden wollte und auch nichts vorbereitet hatte, stand ich plötzlich auf und ging ans Lesepult, als Warren sich wieder hingesetzt hatte.
Ich ließ meinen
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